Kultur

Kassel, ein Sommermärchen

20.06.2007 | SN
MARTIN BEHR

D a wehen sie wieder, die seitlich an Autos montierten Fahnen. Diesmal nicht Schwarz-Rot-Gold, sondern Schwarz-Blau auf Weiß. Zu sehen sind zwölf Striche wie in der Gefängniszelle und der "documenta"-Schriftzug. "Die Welt blickt auf Deutschland", titeln die Medien. So wie im Vorjahr, als nicht Roger M. Buergel und Ruth Noack, sondern Jürgen Klinsmann und Jens Lehmann im Blickpunkt standen. Nach dem Spiel ist vor der Ausstellung. Perfekt, dieser Longpass vom grünen Rasen zum "multicolored cube" der Gegenwartskunst. Kassel, ein Sommermärchen.

A uf der Fanmeile rund um das Museum Fridericianum stärken sich die Besucher für den Eintritt in die übrigen Kunststadien: documenta-Halle, Aue-Pavillon und Neue Galerie. Großbildleinwand existiert keine, wohl aber gibt's Fan-Artikel in Hülle und Fülle. Schon den neuen Cosima von Bonin-Katalog gesehen? Das textfreie documenta-Bilderbuch gekauft? Den "Gemischte Sommerblumen"-Samen der documenta? Dazu passend: faltbare Gießkannen und Blumenvasen aus Plastik, damit die Saat auch aufgeht. Nein, kleinkarierte Buergel-Hosen sind nicht im Angebot. Nadelstreifen-Anzüge auch nicht. Kunst-Dandys müssen sich anderweitig umsehen.

D ie Kunst ist formenreich, und eine Ausstellung dauert 100 Tage. "Eine persische Miniatur kann unendlich viel relevanter sein als irgendwelche Malerei, die gestern in Leipzip entstanden ist", diktierte Buergel der "Kunstzeitung"-Redakteurin. Das erinnert an einen Theoriesatz der Futuristen. Ein Rennwagen, dessen stählernen Leib dicke Rohre schmücken, sei schöner als die Nike von Samothrake, hieß es anno 1909 in einem im Land des regierenden Fußballweltmeisters Italien verfassten Manifest. Roger M. Buergel zeigt Goalgetter-Qualitäten. "Ist die Moderne unsere Antike?" fragt er. Und schon hat er eingenetzt, der Theorie-Dribbelkünstler mit Lehrjahren in Wien.

A m Rande einer Bundesgartenschau fand die erste documenta statt. Was für ein Erfolgslauf! Jetzt gilt sie als "eine der weltweit renommiertesten Veranstaltungen zeitgenössischer Kunst". Sagt nicht nur der Hauptsponsor, der diesmal ein Autohersteller ist. Und stellt dem documenta-Team vier "9-5 SportCombi 2.0t BioPower" und dem Kapitän Buergel gar ein weißes Saab 9-3 Cabrio zur Verfügung. Fast so schön wie Michelangelos David. Und märchenhaft futuristisch. Da wäre ein Fähnchen ein Stilbruch. Und jetzt: Schlusspfiff. Jubel.

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