Bei
Hubert Scheibl (Mitte) ist das Assoziative durchaus erlaubt, bei
Gerhard Richter ist das gegenständliche Motiv "nur Vorwand":
Ausstellungsansicht "Malerei: "Prozess und Expansion"
Bunte Schlaglichter auf ein sich erneuerndes Medium.
Wien - Das Bild befreit von seiner Mitte, von der mit Pathos behafteten auratischen Leinwand. In Oswald Oberhubers "Rahmenbild" wird der Rahmen zum Träger des Bildes, verkehrt im Jahr 1953 Innen und Außen, Werk und Raum.
Wie fast immer ist das Neue einer Krise zu verdanken. Und in einer solchen - wahrlich handfesten - steckte rund um 1960 die Malerei: allzu traditionell und starr die Vorstellungen von ihr, vom Bild und deren musealer Repräsentation; überkommen die Begriffe von "Werk" und "Autorenschaft".
Hineingeschubst in die Depression, die letztendlich radikale Erneuerung ermöglichte, wurde die Malerei vom Aufkommen neuer medialer Darstellungsformen, von konzeptuellen und handlungsorientierten Kunstzugängen. Es waren in Europa und den USA nicht nur die Protagonisten der Malerei, stellt Kurator Rainer Fuchs klar, sondern vor allem ihre theoriebejahenden Gegner, die durch ihre Strategien der Abgrenzung die Malerei mitbestimmten.
Angeschüttet und -gespritzt
Fuchs hat gemeinsam mit Direktor Edelbert Köb dessen definitiv letzte Ausstellung fürs Mumok kuratiert: Eine Malereigeschichte seit den 1950er-Jahren, die mit Prozess und Expansion zwei wesentliche Merkmale des sich erneuernden Mediums vorstellt. Rund 200, mit Bedacht gewählte Arbeiten präsentierten zum einen die selbstreflexive Zuspitzung der Malerei, ihre Absage an Komposition und Narration, ihre Besinnung auf fundamentalste Eigenschaften: Malerei, die noch im Format bleibt, aber ihre Gestaltung auf Aspekte der Farbe und Malprozesse reduziert. "Die Leinwand wird angeschüttet, zugespachtelt und angespritzt", so Köb zum reinsten Prinzip des Prozessualen;Unterkapitel sind Aspekte des repetetiven All-Overs, Zufall und Monochromie. Auf der anderen Seite diskutiert man die Expansion der Malerei, die gängige Bildgrenzen nicht nur auflöst, sondern ironisch unterläuft, die installativ in den Raum greift, zum Objekt wird. "Wir haben zwei Extreme gewählt", sagt Köb.
Extreme, deren Ausprägungen die klare und logische Präsentation auf zwei Ebenen verfolgt, dabei jedoch vermeidet, dogmatisch zu sein. Im Sinne einer ästhetisch anspruchsvollen Präsentation wird die strikte Trennung aufgebrochen, docken sich installative Arbeiten durchaus an anderen Stellen an:So etwa Thomas Feuersteins "Manna-Maschine" (2009), ein Bioreaktor, der durch Planktonanreicherung grasgrün verfärbtes Wasser durch Schläuche pumpt. In einer visuellen Klammer mit Christian Eisenbergers in-situ-Arbeit sowie Noël Dollas Form einer Readymade-Malerei (1993) werden Übergänge zu Objekt und Raum verhandelt.
Motiv als Vorwand
Heimo Zobernigs schwarz gestrichenes Pressspanplattenobjekt ist ebenfalls im Sinne der Expansion zu verstehen, geht aber auch einen ironischen Dialog mit Pierre Soulages ein: Während ihm das Zumalen, das vollständige Bedecken der Bildfläche wichtig ist, lässt Zobernig diese malerische Geste ausfransen, lässt unbemalte Fläche stehen. Auch Rudi Stanzels monochrome Malerei streckt sich, dank schwarzer Spachtelmasse, ins Dreidimensionale.
Im zentralen Raum wird Herbert Brandl mit Hubert Scheibl konfrontiert: In Brandls wandfüllenden Formaten lassen sich zwar landschaftliche Assoziationen finden, seien aber stets ironisch gemeint: "Brandl geht es stets nur um die Malerei" , so Köb, "während Scheibl bewusst mit diesen Assoziationen spielt, sie fördert oder zumindest zulässt." Gleich daneben Gerhard Richters "Parkstück" (1971). Das Stirnrunzeln angesichts des eindeutig gegenständlichen Motivs wischt Köb kurzerhand weg: Richter agiere hier eher wie Pollock, schaffe ein All-Over, indem er jeden Bildteil mit der gleichen malerischen Geste behandle, sie quasi zu Rasterpunkten umwandle. Das Motiv, so Köb, sei nur Vorwand.
In ihrer Mitte stehen die von Franz West zum Kunstwerk erklärten Ateliertische, auf die beim Bemalen seiner Objekte kontinuierlich Farbe tropfte. Denn auch das Finden, das Erkennen ist wichtig. Während auch Brandl Nebenprodukte des Malens - seine so genannten "Schmieragen" auf Papier oder gar einen ganzen Palettentisch - selbstbewusst mit dem Prädikat Kunst versieht, fand Max Weiler auf seinen Probierblättern Kompositionen für die große Leinwand und übertrug diese in minutiöser Weise.
Im Kapitel "Expansion", eingeleitet durch die Überschreitungen der Wiener Aktionisten Brus und Mühl, überzeugen vor allem die raffinierten, visuell äußerst reizvollen Gegenüberstellungen :Dan Flavins schlanke Leuchtobjekte mit Daniel Burens Streifen. Gemeinsam quirlig: Jackson Pollock und Otto Zitko. Subtil die Objet-trouvé-Kompositionen von Jiri Kovanda in Dialog mit Gerwald Rockenschaub, John Armleder und der frechen Hollywood-Schaukel von Jessica Stockholder. Radikal die Erweiterung des malerischen Raums bei Klaus Dieter-Zimmer: Er hob geometrische Farbflächen auf Lieferwägen in den Status der absoluten Malerei und bannte sie in Fotografien.
Ein großes Highlight der Schau ist die Wand mit Arbeiten Christian Stocks. Seine sich über Jahre zu monochromen Objekten addierenden Farbschichten stehen im Dialog mit den ganz Großen: Mit Yves Klein, dem "Befreier und Dompteur der Farbe" und dem "Übermaler" Arnulf Rainer. Die jüngste Position der spannungsund lustvollen Ausstellung zeigt, das man der abstrakten Malerei noch eine Dimension hinzufügen kann: Jene der Zeit. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Printausgabe, 9.7.2010)
Künstlergespräch jeweils 14.00:
Ausstellung bis 3. 10.
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