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Kunstberichte

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Wie Glühbirnen flirten

(cai) Was ist das: Manchmal spielt Julia Roberts mit, aber wenn sich der Regisseur doch für Sylvester Stallone entscheidet, dann ist es dort lauter, als wenn draußen zwei Autohupen angeregt über die Straßenverkehrsordnung diskutieren, während einem der Presslufthammer unterm Fenster ein Ständchen bringt. Antwort: Das ist "der Film".

Keine Angst: Ohropax braucht man keine. Wenn beim Kargl das Phänomen Film untersucht wird, rattern ja keine MGs (die Insignien der Tschinbumm-Stars), sondern Nostalgieprojektoren aus einem handfesteren Zeitalter. Überhaupt geht es recht beschaulich zu. Etwa wenn Manon de Boer Sylvia Kristel (die Nacktheldin aus dem Stöhn-Epos "Emmanuelle") dazu bringt, einer unzweideutigen oralen Tätigkeit nachzugehen. Gurgeln? Ganz kalt. Daumenlutschen? Wärmer. Rauchen? Heiß! Eigentlich eine Huldigung an die öffentliche Intimzone: ans Gesicht.

Nadim Vardags 122-Minuten-Film ohne Bild und Ton wiederum hielt ich anfangs für kompromisslosen Naturalismus (Polarnacht extrem – oder so). Bis im Finstern die Untertitel auftauchten. Weil Vardag aus Antonionis "La Notte" alles bis auf die Drehbuchdialogtexte gelöscht hat. Da muss man sich also bloß Marcello Mastroianni und Jeanne Moreau dazudenken und besitzt plötzlich die gleiche Macht wie ein Regisseur (nach dessen Pfeife berühmte Schauspieler ja sogar den Vogerltanz tanzen täten). Total nervös macht einen dann die theoretisch bereits seit 2002 flackernde Tischlampe, die zu morsen oder mit uns zu flirten scheint. 2002 – das Jahr, in dem die Glühbirnen mit uns Kontakt aufnahmen? Nein: Theo Ligthart hat einen nur aus schwarzen und weißen Kadern bestehenden Avantgardeklassiker in die binäre Birnensprache übersetzt (Licht an – Licht aus). Eine sehr intellektuelle Ausstellung. Vielleicht grad deshalb so humorvoll (außer ich hab’ da was missverstanden).

Georg Kargl Fine Arts
(Schleifmühlgasse 5)
Scene Missing
Bis 1. März
Di. bis Fr. 11 bis 19 Uhr
Sa. 11 bis 15 Uhr

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Zuerst im Emmental...

(cai) Aus dem 200 Jahre alten Familien-Bonsai Zahnstocher zu machen, das ist Rebellion (oder pubertärer Sadismus). Den Esstisch wie einen Emmentaler zu durchlöchern kann man aber bestimmt auch gelten lassen. Teil eins der autobiografischen Ausstellung von Sarah Staton und Josephine Pryde ("Mutter und ihr Haus") erinnert sich an die behütete Zeit vor dem Kunststudium, als Madonna quasi ihre Nothelferin war gegen das Bravsein. Wenn nun Staton Tische fantasievoll "sabotiert", einen auf "japanische" Esshöhe zusammenstutzt, Löcher reinsägt und daraus sieben Tischerln wie Schwammerln herauswachsen lässt, um alles einer Zipfelmützen-WG zu widmen ("Sieben Zwerge"), ist das freilich kein Aufbegehren gegen die Funktionalität der elterlichen Möbel. Vielmehr die geglückte Umwandlung eines Gebrauchsgegenstandes in Kunst. Pryde steuert sensible Fotos von jungen Frauen bei, die in "mütterlichen Haltungen" posieren, doch ebenso die Gefühle beim Erwachsenwerden vorführen könnten: Verträumtheit, Frustration, heftiges Gebeuteltwerden. Stimmig.

Galerie Bleich-Rossi
(Dominikanerbastei 19)
How They Met – Teil I
Bis 29. Februar
Di. bis Fr. 11 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 16 Uhr

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...dann im Jammertal

(cai) Zweite Teile sind ja meistens nicht so toll. Das war bei "Alien" schon so ("Die Rückkehr"). Und "Faust II" ist jedenfalls verdammt komplex. Der Autobiografie zweiter Teil (wirklich persönlich ist’s eh nicht) heißt kurz und sündig: "Sex." Na bums, äh: bumm. Josephine Prydes Fotoserie über sich delikat auflösende Perlen aus Make-up-Puder ist ja durchaus erotisch, doch Sarah Statons peinliche Malereien voller harmloser Schnörkelornamente sind extrem abtörnend.

Gabriele Senn Galerie
(Schleifmühlgasse 1a)
How They Met – Teil II
Bis 29. Februar
Di. bis Fr. 11 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 15 Uhr

Mittwoch, 20. Februar 2008

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