Schweizer Bürgersinn für Kunst
Interview. Direktor Dieter Schwarz über das Kunstmuseum Winterthur und das Gastspiel im „Gipfeltreffen der Moderne“ in Salzburg.
GUDRUN WEINZIERL Zu einem „Gipfeltreffen der Moderne“ sind auf dem Mönchsberg Werke aus der Sammlung des Kunstmuseums Winterthur zusammengetragen worden. Die SN sprachen mit Dieter Schwarz, der seit zwanzig Jahren Direktor des Schweizer Museums und Kurator der Ausstellung ist.150 Jahre Kunstgeschichte und 105 renommierte Künstler, ein Großteil von ihnen mit weltweiter Geltung, sind hier in Salzburg präsent. Darunter ist aber nur ein Österreicher, Oskar Kokoschka. Schwarz: Winterthur hat tatsächlich nur ganz wenige Werke von österreichischen Künstlern. Das Bildnis Hugo Caro von Kokoschka und weiters noch ein paar Arbeiten von Günter Brus, Adolf Frohner und Hermann Nitsch aus der Zeit des Wiener Aktionismus. Künstler der klassischen österreichischen Moderne wie Klimt oder Schiele sind sehr selten im Ausland, die Schweizer haben nichts davon.Die Stadt Winterthur ist wesentlich kleiner als Salzburg. Wie konnte dort dennoch ein so bedeutendes Museum entstehen? Schwarz: In der Schweiz sind fast alle kulturellen Initiativen im 19. Jahrhundert von privaten Vereinigungen geleistet worden, eine völlig andere Situation als in Österreich mit seinen großen Sammlungen und Gründungen des Adels. Die Schweizer Bürger verstanden Kultur als eine Sache, die man selbst machen müsse. Das Kunstmuseum besitzt rund 1500 Werke – Gemälde und Skulpturen – und zusätzlich einen Bestand an Zeichnungen und Grafik. Vieles davon hat lokalen Charakter. Aber rund 600 Arbeiten davon sind sehr bedeutend.
Das Kunstmuseum Winterthur hat sich sehr früh an der französischen Moderne orientiert. Schwarz: Sammler wie die Familien Bühler, Hahnloser oder Reinhart hatten sich durch Anregung des Malers Giovanni Giacometti für die Franzosen zu interessieren begonnen. Giacometti war ein wichtiger Schweizer Künstler, der schon gesammelt wurde. Seine Empfehlung, nach Paris zu reisen, um Cézanne, van Gogh, Monet zu sehen, steckte die Sammler an: Die französische Kunst wurde für Winterthur ein großes Thema, mit dem man sich auch von der deutschen Kunst – die sehr dominant war – absetzen konnte.Wie ging es mit dem Sammeln weiter, später wurden ja die Amerikaner zu einem wichtigen Teil des Museumsbestands? Schwarz: Man wollte sich immer konzentrieren und nach der französischen Kunst dort anknüpfen, wo sie in ihrer malerischen Intensität weitergeführt wurde, an der amerikanischen Kunst. Die Amerikaner der Nachkriegszeit haben sich sehr deutlich auf die Franzosen wie Bonnard und Vuillard bezogen, mehr als man es in Deutschland oder in England getan hat. Ein anderer Schwerpunkt liegt auf italienischer Kunst, auf Morandi und der Arte Povera. In der Ausstellung sind alle großen Strömungen der Kunst des 20. Jahrhunderts vertreten. Schwarz: Dass wir so bedeutende Bestände der klassischen Moderne, aus Expressionismus, Kubismus, Bauhaus, Surrealismus, Neuer Sachlichkeit, der Abstraktion und der Konkreten Kunst haben, ist der Schenkung des Bankiers Emil Friedrich und seiner Frau zu verdanken. Der größte Teil unserer Sammlung basiert auf Schenkungen. Wie hoch ist Ihr Ankaufsbudget? Schwarz: In den letzten Jahren konnten wir – dank Spenden – jährlich rund 500.000 Franken ausgeben. Unsere jüngsten Erwerbungen sind ein Bild des Amerikaners Robert Ryman und ein Bild Edouard Vuillards, wobei Gegenwartskunst nicht selten teurer ist als alte.
Was sind die Schlüsselwerke dieses „Gipfeltreffens“? Schwarz: Die Schau will auf die Stärken unserer Sammlung verweisen, so präsentieren wir unter anderem van Goghs „Postbote Joseph Rouli“, Fernand Legers „Balkon“, Paul Klees „Blühendes“, Mondrians „Composition A“, Brancusis „Danaide“, Alberto Giacomettis „La clairière“, Gerhard Richters „Wasserfall“, jedenfalls auch Morandi, denn Winterthur besitzt die größte Sammlung seines Werks außerhalb Italiens.