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33.000 Besucher in einer Woche: "Das MoMA in Berlin"

Eisig kalt ist es, und es schneit. Um die Neue Nationalgalerie zieht sich eine lange Menschenschlange, bibbernd wartet man auf Einlass, bis zu eineinhalb Stunden, an einem gewöhnlichen Wochentag.

Berlin (APA) - "Das MoMA in Berlin ist der Star" wirbt die Nationalgalerie - Besucherandrang und -Zahlen geben ihr recht. 33.500 Menschen schleuste man allein in der ersten Woche durch die Schau mit 200 der bedeutendsten Meisterwerken des 20. Jahrhunderts aus dem New Yorker Museum of Modern Art (MoMA).

In Berlin führt derzeit kaum ein Weg vorbei an der mit goldenen Lettern auf leuchtendem Pink beworbenen Ausstellung der Superlative. Die Zeitungen liefern Sonderbeilagen und Kunstvermittlung: pro Tag ein Bild erklärt beispielsweise in der "Bild"-Zeitung eine junge Kunsthistorikerin. Nähert man sich vom Potsdamer Platz dem Mies-van-der-Rohe-Bau, trägt kaum einer der Entgegenkommenden kein obligatorisches Museums-Shop-Sackerl. An einem Container-Häuschen gibt es die Karten, dann die Schlange. Wer keine Lust hat zu warten, kann mit einem VIP-Ticket um 27 Euro den Sondereingang benutzten.

"Das kenn ich, das musste ich schonmal in der Schule abmalen", ruft ein kleines Mädchen. Kein Wunder, schließlich hängt im Untergeschoss der Nationalgalerie ein bekanntes Bild neben dem anderen. Jemand führt eine Gruppe interessierter Studenten durch die Räume und lächelt: "Bei manchen Bildern kann man gar nicht mehr sagen, ob sie im MoMA hängen, weil sie so berühmt sind, oder ob sie so berühmt sind, weil sie im MoMA hängen."

Vor Henri Matisses "Der Tanz" verweilen die Besucher gerne länger, setzen sich auf den Boden und lassen das harmonische Figurenornament auf sich wirken. Ähnlich beliebt: Marc Chagalls Ölgemälde "Ich und das Dorf". Ganz nah hin beugen die neugierigen Besucher sich an Salvador Dalis "Beständigkeit der Erinnerung", das Bild mit den zerfließenden Uhren: "So klein ist das? Mein Poster ist viel größer!"

Die Ausstellung ist in acht Untergruppen gegliedert, von "Moderne Anfänge" bis "Offenes Ende", aber nicht konsequent chronologisch und nur dürftig beschildert. Wer mehr erfahren will als Künstler und Titel muss zur Tonbandführung greifen oder mit den "MoMAnizern" plaudern, 64 jungen Männern und Frauen, die das Gespräch mit den Gästen suchen. In der Cafeteria sitzen erschöpfte Kunst-Konsumenten. "Zu viel", stöhnt es, andere sind einfach nur begeistert. Berlin ist das Kunst-Mekka dieses Jahres, so viel ist klar. Aufmunternd ruft ein zufriedender Besucher mit Katalog im Sackerl zum Ende der Schlange: "Das Warten lohnt sich!"
2004-02-28 11:30:06