3000 Werke für ein großes Lebensbild
Johann Weyringer. Früher war das Atelier die Tischlerei des Vaters. Jetzt schafft der Salzburger Künstler Johann Weyringer in seinem Garten Skulpturen aus Holz und Stein.
CLEMENS PANAGL SALZBURG (SN). Von Gartenarbeit hat Hans Weyringer seine eigenen Vorstellungen. Wo andere zarte Blumen züchten, lässt der Salzburger Künstler Lastkräne auffahren und tonnenschwere Steine auf die Wiese wuchten. Zu seinen bevorzugten Gartengeräten zählen Hammer, Meißel und eine überdimensionale Motorsäge.
Vor seinem Atelierhaus bei Neumarkt am Wallersee hat Johann Weyringer einen Skulpturengarten angelegt. An den großen Arbeiten aus Stein und Holz ist zu sehen, dass die Bildhauerei im Leben des Künstlers seit einigen Jahren neben der Malerei einen gleichberechtigten Platz beansprucht. Zu seiner symbolhaften Bilderwelt, in der oft üppige Farben für Leben sorgen, stehen die Skulpturen in deutlichem Kontrast.
Ein riesiger, dunkelgrün schimmernder Serpentinit vom Großvenediger steht neben einem Stein mit Figuren und Elementen aus W. A. Mozarts „Zauberflöte“. Eine andere Arbeit zeigt Neptun mit einer Meerjungfrau. Und hinter dem Haus hat er mit zwei Assistenten gerade den Stamm einer riesigen Ulme in Arbeit: Ein heiliger Franziskus wird daraus. Von Assisi hat ihn Weyringer allerdings auf die Insel Lampedusa versetzt, wo er zum Schutzpatron der Flüchtlinge und der afrikanischen Kultur wird. „Ständig hab’ ich neue Ideen, das kann einen ganz verrückt machen“, sagt Hans Weyringer.
Der Drang, Gedanken in Kunst zu verwandeln, hält sich eben nicht an feste Ruhezeiten. Und: „Wenn ich’s nicht machen würde, dann würde es das alles ja nicht geben“, erklärt der Rastlose und führt seinen Atelierbesuch geschwind zur nächsten Skulptur.
Auch im eigenen Lebensbild von Johann Weyringer, der heuer seinen 60. Geburtstag feierte, spielt das entschlossene Umsetzen von Ideen wohl die wichtigste Rolle: Das Atelier am Wallersee war einmal die Tischlerei seines Vaters. Mit 16 hat er geholfen, sie aufzubauen. Mit 21 machte er selbst die Meisterprüfung – um im Notfall im väterlichen Betrieb einspringen zu können.
Seine persönlichen Visionen sahen da längst anders aus: „Mit fünf hab’ ich schon beschlossen: Ich werd’ Künstler“. Davor holte er aber auch noch die Matura nach, um Architektur an der Wiener Hochschule für Angewandte Kunst studieren zu können. Erst dann kam die Kunstakademie.
Der Schaffensdrang wiederum ließ den Maler auf der Suche nach neuen Impressionen um die ganze Welt reisen – nach Afrika, in die Mongolei oder nach Bali. Weyringers Landschaftsbilder entstehen an den Schauplätzen: „Ich kann ja nicht im Atelier sitzen und mir vorstellen, ich sei in der Mongolei in 5000 Metern Höhe.“
Eine Folge der Reiselust: Einem Kunstwerk von Johann Weyringer kann man auch an Orten begegnen, wo man es nicht vermuten würde. „Einmal hat mir ein österreichischer Architekt ein ganz verwundertes Mail geschrieben, weil er in einem Dorf auf Bali eine Marmortafel entdeckt hat. Darauf stand: ,Johann Weyringer, artist from Austria.‘ Dort hab’ ich nämlich auch ein Projekt gemacht.“
3000 Werke umfasst der Katalog heute. Zu vielen Themen gibt es umfangreiche Zyklen. Um die Erfassung kümmert sich die Kunsthistorikerin Anna-Maria Eder. „Oft geht es in den Bildern oder Skulpturen um Dualitäten – zwischen Mann und Frau, zwischen Leben und Tod“, sagt Eder. Sie erklärt Weyringers Symbolsprache anhand einer liegenden Venusfigur aus Stein – während der Künstler noch einmal schnell für einen prüfenden Blick zum heiligen Franziskus sausen muss. Apropos Venus: Fix zu Weyringers Lebensbild gehört die Faszination für das weibliche Geschlecht. Auch im wörtlichen Sinn. Die Darstellung der Vulva ist ein wiederkehrendes Thema: „Sogar auf Säulen des Stephansdoms haben die Dombaumeister Geschlechtsteile dargestellt. Sie standen für das Leben und verjagten Dämonen.“
Weyringer erregte unter anderem mit einer Bilderserie aus dem Salzburger „Roma Club“ Aufsehen. In seinem jüngsten Zyklus „Mädchen und Tod“ kommt es hingegen zum Rendezvous zwischen prallem Leben und Vergänglichkeit, einem weiblichem Akt und einem Totengerippe.
120 Bilder sind zu dem Thema entstanden. Im Atelier hängt noch das Medizinerskelett, das auf den Namen Hugo hört und dem Maler als Modell diente. „Wie sehr mich der Tod in meinen Bildern immer beschäftigt hat, ist mir erst beim Zurückblicken klar geworden“, sagt Weyringer, und blättert zum Beweis in einem dicken Band, in dem Kunsthistorikerin Eder seine Werkzyklen von 1970 bis 2004 dokumentiert hat. „Schau, wie er da schon lieb lacht“, sagt er, und deutet auf einen Totenkopf von 1975.
Wie es bei Weyringer um die Dualität von Theorie und Praxis steht? „Dogmatische Kunstdiskussionen interessieren mich überhaupt nicht. Und die Beschäftigung mit Theorie kommt bei mir meist erst nach dem Malen. Oft schenken mir Leute irgendwann Bücher, in denen sie Bezüge zu meinen Bildern sehen.“ So finden sich in Weyringers Bibliothek Abhandlungen über C. G. Jungs Archetypen ebenso wie ganze Bücherstapel zu Mozarts „Zauberflöte“, zu der er ebenfalls eine Bilderserie gemalt hat.
Ein weiterer Zyklus war kürzlich in der Bachschmiede in Salzburg-Wals zu sehen. Die Bilder rund um die Geschichte von Daedalus und Ikarus zeigen nicht nur Weyringers Liebe zur Mythologie. Sie schließen auch den Kreis zum Künstlerleben: Den Traum vom Fliegen, der Ikarus zum Verhängnis wird, hat Weyringer auch gehabt. Verwirklicht hat er ihn mit 16 – da machte er den Flugschein.
Nur die Aussicht auf eine Karriere als Heerespilot lehnte er damals dankend ab. „Ich hab’ gesagt: Das geht nicht. Ich werd’ doch Künstler.“