VN Sa, 20.9.2003

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Kultur 

MEINUNG

Kein Konflikt in Sicht

VON WALTER FINK

Was ist eigentlich los in der Vorarlberger Kulturszene? Außer, daß nichts los ist. Da werden der Reihe nach Festivals abgewickelt, große und kleinere. Alle schreiben beste Zahlen, berichten von außergewöhnlichem Publikumsinteresse, Konzertreihen erfreuen sich großer Beliebtheit, die offiziellen Einrichtungen wie Landestheater oder Kunsthaus verzeichnen steigendes Publikumsinteresse, die Festspiele bringen einen Fabelrekord, die Schubertiade ist nach wie vor ausgebucht, alternative Angebote wie Seelax oder die Feldkircher Pool-Bar begeistern die Jugendlichen, selbst eine Art "Feuerfest" von "Gauklern" am Dornbirner Marktplatz lockt mehrere Tausend Menschen an. Was ist eigentlich los, außer, daß es ein ungeheuerliches Angebot gibt, das ganz offensichtlich auch angenommen wird. Im Sommer besonders, aber auch während des Jahres, wenn etwas mehr auf Sparflamme gekocht wird.

Das kulturelle Angebot in Vorarlberg ist großartig, es übertrifft bei weitem, was man in so einem kleinen Land erwarten darf, es erreicht ein Format, das einer großen Stadt würdig wäre. Längst ist es unmöglich geworden, auch nur die wesentlichen Ereignisse wahrzunehmen, kaum kann man mehr den Überblick bewahren. Wir werden zugedeckt mit Kulturveranstaltungen, auch mit viel Qualität. Und mehr oder weniger alles wird auch vom Land unterstützt, genießt also nicht nur die Zuneigung des Publikums. Wir gehen von einem Ereignis zum anderen, wechseln vom Theater zum Konzert, von der Lesung zur Ausstellung - und kommen dazwischen kaum mehr zum Atemholen. Vielleicht auch nicht mehr ausreichend zum Nachdenken über das, was wir gesehen und gehört haben. Wir, die Besucher, scheinen immer mehr zu konsumieren, weniger zu reflektieren - was aber natürlich keine spezielle Vorarlberger Eigenschaft ist.

Wo aber bleibt, was wesentlich Bestandteil kultureller Betätigung sein sollte, wo bleibt die Auseinandersetzung? Wenn man einmal absieht davon, daß man nach der Oper, nach dem Theater, nach dem Konzert mit Gleichgesinnten beim feinen Essen sitzt und sich darüber unterhält, ob nur der ein bißchen besser gespielt oder die ein wenig schlechter gesungen hat. Wovon wir übrigens meist alle zusammen zu wenig Ahnung haben. Liegt es am zu glatten Angebot, an angepaßten Spielplänen, an auf Breite ausgelegten Programmen, daß es kaum mehr zu wirklichen Diskussionen, zu Diskursen kommt? Liegt es vielleicht auch an uns, daß wir das, was an Auseinandersetzung in der Kunst angeboten würde, gar nicht mehr wahrnehmen, daß uns der gesellschaftliche Anlaß wichtiger geworden ist als die Kunst? Sicher ist: Schön langsam leiden wir bei bestem Angebot unter Langeweile.

Nichts ist in Sicht, das diese Fadesse stören könnte, kein Konflikt weit und breit, nicht einmal der Hauch eines kleinen Streites, einer unterschiedlichen Auffassung. Was waren das noch für Zeiten, als die Kultur noch Anlaß zu Differenzen bot, als noch um Werte, um die Rettung des Abendlandes gestritten wurde, als Kunst auch bei uns noch als Opposition gegen Bestehendes, gesellschaftlich und politisch, genutzt wurde. Nicht einmal mehr die politischen Bühnen, der Landtag oder die Stadtparlamente, sind mehr Schauplatz kulturpolitischer Diskussionen, auch da ist man sich - von kleinen Differenzen einmal abgesehen - weitgehend einig. Kulturpolitik ist nicht einmal mehr der Probelauf für die großen Auseinandersetzungen. Eitel Wonne wohin man sieht. Über allen kulturellen Gipfeln ist Ruh. Und tatsächlich: Man spürt kaum einen Hauch. Das gibt doch zu denken. Denn man kann ja wohl nicht davon ausgehen, daß da wirklich alle mit allem zufrieden sind, Künstler, Publikum, Politik. Sind wir zu bequem geworden, haben unsere Künstler ihre Kraft zur Provokation verloren, passen sich die Politiker zu sehr an? Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur, daß solche Ruhe auf Dauer nicht gut ist.

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Die Meinung des Gastkommentators muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen. Auf Wunsch des Autors erscheint sie in der alten Rechtschreibung.




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