Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte
Generali Foundation betreibt mit der Ausstellung "Die Moderne als Ruine" eine Archäologie der Gegenwart

Vom kunstvollen Scheitern der Moderne

Das Scheitern der Moderne, die Ruine der Utopie als Kunstwerk: Gordon Matta-Clark "Conical Intersect", 1975. Foto: Generali Foundation

Das Scheitern der Moderne, die Ruine der Utopie als Kunstwerk: Gordon Matta-Clark "Conical Intersect", 1975. Foto: Generali Foundation

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung In den Siebzigerjahren haben Künstler wie Robert Smithson und Gordon Matta-Clark bereits das Scheitern der Moderne in ihren Werken thematisiert. Vor allem die Träume der Architektur und des Design von einer besseren Gesellschaft in den Beton- und Glasfassadenbauten der ersten Moderne sind zerfallen.

Was im postindustriellen Zeitalter davon blieb, ist das Recycling aus Ruinen. Gegenwärtig ist vor allem ein Zugang zum Archäologischen zu beobachten, der über heruntergekommene Slum-Behausungen, problematische Vorstädte oder aber alternative Wohnformen reflektiert. Die gescheiterten Prinzipien werden als Versatzstücke der Menschheitsgeschichte zu künstlerischen Kommentaren, die zu einer Neudefinition anregen wollen.

Prähistorie in der Moderne

Die Beschwörung der Prähistorie in der Moderne, mit der Kunstkritiker Carl Einstein begonnen hatte, setzt sich fort – die aktuelle Ausstellung in der Generali Foundation in Wien Wieden mit dem Titel "Die Moderne als Ruine. Eine Archäologie der Gegenwart" beweist, wie aktuell das nun schon über 30 Jahre alte Thema geblieben ist.

Sie tut es mit besonderen Beispielen exzellenter Künstler aus eigenem Bestand und prominenten Leihgebern wie dem Guggenheim Museum in New York, aus dem etwa Smithsons berühmter Diashow "Hotel Palenque" von 1969 bis 1972 stammt. Dass die ausgefeilte Technik mancher in der Schau gezeigter Kunstwerke surrealerweise besonders komplizierte Geräte erfordert, ist ein schönes Paradoxon.

Neue Konzepte

Wie konnte die bereits im 19. Jahrhundert beschworene Urhütte seine Wiedergeburt erleben? Rob Voerman benutzt Teile von Müll, um seine hybriden Ur-Behausungen zu errichte, während Dan Graham das Thema ganz anders bearbeitet.

Wenn Natur über eine kristalline Struktur wächst, ist diese Bemoosung bereits so etwas wie Dekonstruktion. Doch die Formauflösung und De-Architekturierung kann auch schmerzlicher vor sich gehen – etwa als Zerschneiden von Häusern oder Zerschießen von Fenstern wie bei Matta-Clark.

Isa Genzken beantwortet dies mit Betonskulpturen, aber auch Glasobjekten, die bei der unüberlegten Bebauung des Berliner Potsdamers Platzes ansetzen.

Dem Technikoptimismus eines Mies van der Rohe oder Theoretikern wie Siegfried Giedion stehen die heutigen Glasvorhang-Chimären der internationalen Konzerne und Banken gegenüber. Soziale Konzepte und Utopien dieser Form haben ausgedient.

Der französische Architekt und Visionär Yona Friedman spricht etwa von der prekären Natur der modernen Gesellschaft. Seine Modelle von "Ville spatiale", einer Stadt aus Abfallmaterialien, sprechen auch von der Ausbeutung der Rohstoffe und der Unmöglichkeit einer globalen Kommunikation. Dem Pessimismus steht die von der Natur überwachsene Ruine als Archi-Skulptur entgegen, mit ihren alten arkadischen Anklängen.

Trotz Kritik am Raubbau der urbanen Architekturen sind hier auch neue Konzepte des Zusammenlebens enthalten.

Aufzählung Ausstellung
Die Moderne als Ruine
Eine Archäologie der Gegenwart
Sabine Folie (Kuratorin)
Generali Foundation
bis 20. September
Di bis So: 11 bis 18, Do bis 20 Uhr

Printausgabe vom Donnerstag, 06. August 2009

Kommentar senden:
Name:

Mail:

Überschrift:

Text (max. 1500 Zeichen):

Postadresse:*


* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht veröffentlicht.

Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at