26.11.2003 18:49
Fake und Wahrheit
Aktionismus
einer "Kulturguerilla" als Thema einer Diskussion zum "Nike-Platz"-Projekt - Mit
Kommentar der anderen - Foto
Sind wir es nicht schon ein bisschen leid, dass jede Aktion im
öffentlichen Raum fast automatisch eine lange Diskussion über die Fragen
Ist-das-überhaupt-Kunst? oder Dürfen-die-das? nach sich zieht?
Unabhängig davon sollte es doch vielmehr interessieren, was - ob genehmigt oder
nicht - Aktionen leisten können und auch wirklich leisten: Sie schaffen
Sichtbarkeit. Themen, die keine mehr oder noch keine sind - werden ins Blickfeld
des Einzelnen und ins öffentliche Interesse gerückt. Themen, die sonst abstrakt
und innerhalb kleiner Gruppen oder der "überschaubaren Kunstklientel" diskutiert
werden. Muss da wirklich immer der Maßstab angelegt werden, der misst, wie neu
und originell so etwas ist? Oder um wieviel weniger banal, politischer und
aktueller andere Aktionen sind?
Dramaturgie der
Aktion
Trotzdem wiederholte sich dieses Prozedere auch beim
"Nikeplatz"-Fake: Der Karlsplatz, so erdachte das italienische Künstlerkollektiv
0100101110101101.ORG gemeinsam mit der Wiener Netzkulturinitiative Public
Netbase wird dank der Patronanz eines Sportartikelriesen zum Nike-Platz und
obendrein mit einer riesigen Logo-Skulptur verziert. Diese
Dramaturgie gab vor, erst im Nachhinein die Urheberschaft bekannt zu geben und
solange mit blitzblanker Infobox, sportivem Promotion-Personal und schnieker
Homepage von der Täuschung abzulenken. Nike selbst gefiel das Ganze nicht
und leitete rechtliche Schritte ein: Man sah Namen- und Markenrechte verletzt.
Logos - Symbole der Alltagswelt
Die Öffentlichkeit
jammerte über "mangelnde Originalität" und übersah dabei die Brisanz des Themas:
Wenn auch - noch - nicht in Wien, so besteht international bereits reges
Interesse von Großkonzernen an der Patronanz für Plätze und Brücken. Auf diesen
Trend hinzuweisen und zu sensibilisieren sowie die Machtverhältnisse der
Konzerne zu hinterfragen, sieht die Gruppe 0100101110101101.ORG als wichtige
Aufgabe kritischer Kunst an. Es müsse daher erlaubt sein, sich auch auf
Firmenlogos zu beziehen, die längst Symbole unserer Alltagswelt geworden sind,
ergänzt Public Netbase. Die Klage von Nike International sei darüberhinaus
"absurd, weil das Projekt in keinerlei geschäftlicher Konkurrenz zu Waren- und
Dienstleistungen des Sportartikelherstellers steht."
Aktionismus
als probates Mittel
Den Vorwurf, eine Kommunikationsguerilla zu
sein, läßt sich Public Netbase gern gefallen. Martin Wassermair, Sprecher
des Vereins, sieht den Aktionismus als probates Mittel an, um zu
hinterfragen, welchen Stellenwert der öffentliche Raum hat und welche Funktionen
er übernimmt. Netzprozesse ließen sich so temporär in den Raum transferieren.
Nachdem nun, einen Monat nach Ende des Projekts, der anfängliche Wirbel
nachgelassen und die Emotionen etwas abgekühlt sind, lud Public Netbase am
Mittwoch, 26.11., zur Diskussion des Projekts.