VON SUSANNE JÄGER
Wien (VN) Unter dem spröden Titel "Werke
aus der Sammlung" sind derzeit in Wien ausgewählte Arbeiten aus dem
Besitz der Wiener Generali Foundation zu sehen - darunter einige
Neuankäufe. Neben Werken renommierter internationaler Künstler sind
auch wichtige Arbeiten bekannter Österreicher, darunter des
Vorarlberger Künstlers Gottfried Bechtold, in der Schau vertreten.
Das hohe Niveau der angekauften Arbeiten, Ergebnis
gezielter Schwerpunktsetzung der Generali Foundation und ihrer
Leiterin Sabine Breitwieser, spiegelt sich auch in der aktuellen
Schau. Der Fokus liegt - wie in der gesamten Sammlung - auf
konzeptuellen Aspekten in der Kunst, dem Grenzbereich von
Architektur und Design sowie medien- und gesellschaftskritischen
Positionen seit den 60er-Jahren.
Diskussionsstoff
Wie Gordon Matta-Clarks legendäre Aktion "Window
Blow-Out" von 1973, in der der Künstler als Ausstellungsbeitrag mit
einem Luftdruckgewehr alle Fenster des Ausstellungsraums zerstörte,
löste auch "Post-Partum Document I" von Mary Kelly aus dem selben
Jahr heftige Diskussionen aus: anhand von Nahrungsmitteltabellen und
Analysen von Fäkalienspuren ihres Sohnes interpretierte die
Künstlerin das traditionelle Mutter-Kind-Motiv neu - im Stil einer
wissenschaftlichen Untersuchungsreihe. Auch Martha Roslers 1972
entstandene Arbeit, eine mit Brennnesseln bepflanzte Blumenkiste,
bezog Stellung zur damaligen (gesellschafts)politischen Situation.
In der "Montage aus privaten Alltagselementen und bekannten Bildern
des Krieges" verweist die zwischen den Pflanzen angelegte
Erdschneise in Form eines B-52 Kampffliegers auf die während des
Vietnamkriegs von den USA mit Napalm durchgeführten Entlaubungen der
Wälder.
Peter Weibel, von Valie Export an der Hundeleine durch die Stadt
geführt: die Dokumentation der Aktion "Aus der Mappe der
Hundigkeit", die durch die radikale Umkehrung der tradierten
Geschlechterrollen 1969 für Verstörung bei den Passanten sorgte,
zählt zu den Neuerwerbungen. Beeindruckend auch Harun Farockis
Videoinstallation "Ich glaubte Gefangene zu sehen" (2000) über die
Zustände in einem kalifornischen Hochsicherheitsgefängnis:
Ausschnitte aus Überwachungskameras dokumentieren den Alltag von
Gefangenen und Anstaltspersonal, dominiert von Gewalt und zynischer
Gleichgültigkeit.
"documenta"-Arbeit von Gottfried Bechtold
Wo sich Gottfried Bechtold am 13. Juli 1972 zwischen 16
und 20 Uhr aufhielt, erschließt sich den Besuchern der aktuellen
Sammlungs-Schau bei der Lektüre der von der Generali im letzten Jahr
angekauften Protokolle seiner Arbeit "100 Tage Anwesenheit in
Kassel". Entwickelt für und entstanden während der "documenta 5" im
Jahr 1972, beruhte das Konzept auf der Anwesenheit des Künstlers
während der gesamten Dauer der Großausstellung. Die aktuelle
Position Bechtolds wurde mehrmals täglich via Lautsprecher bekannt
gegeben; die Ausstellungsbesucher hatten also die Möglichkeit, den
Künstler zu lokalisieren und - so gewünscht - zu kontaktieren.
Avantgarde-Position des Vorarlbergers
Der ursprüngliche Vorschlag Bechtolds, seine Wohnung und
den Arbeitsraum auf der "documenta" aufzubauen und zu bewohnen,
konnte übrigens damals nicht realisiert werden. Der Umstand, dass
eine ähnliche Arbeit des Deutschen Gregor Schneider auf der
diesjährigen Biennale von Venedig - also fast dreißig Jahre nach
Bechtolds Idee - eine Auszeichnung für den besten Länderbeitrag
erhielt, verdeutlicht Bechtolds Avantgarde-Position.
In der Generali-Sammlung ist Bechtold, seit den frühen
70er-Jahren Pionier der österreichischen Konzept- und Medienkunst,
mit einer Reihe weiterer Arbeiten, vorwiegend frühen Kurzfilmen und
Video(installationen) vertreten: im Mittelpunkt dieser
experimentellen Versuchsanordnungen steht oft die Hinterfragung von
Begriffsbedeutungen und das Spiel mit Erwartungshaltungen. Etwa in
den 1971 entstandenen Arbeiten "Test 1" und "Test 2", in denen
Bechtold die Videokamera selbst einer physischen Belastungsprobe
unterzieht - unter Zuhilfenahme von Hammer und Steinen.
Gottfried Bechtold bei der "documenta" in Kassel.
Die Ausstellungen in der Generali Foundation in Wien, 4. Bezirk,
Wiedner Hauptstraße 15. sind bis 20. Dezember geöffnet Infos unter:
http://foundation.generali.at