Die Angst der Kunst vor der Feuchtigkeit
Wien, SAlzburg (SN-eStro, hb). Der supermoderne Roboter arbeitet seit Donnerstag früh auf Hochtouren, Kassette um Kassette wird aus dem Tiefspeicher geholt, Kunstwerke von unermesslichem Wert werden in Sicherheit gebracht. Die Albertina ist dabei, nach dem Wassereintritt am Dienstag aus dem Depot insgesamt 950.000 Arbeiten auf Papier, Zeichnungen, Aquarelle und Grafiken von Dürer über Michelangelo bis zu Schiele und Baselitz zu bergen (wir berichteten).
Es wird laut Albertina-Pressesprecherin Verena Dahlitz rund acht Tage dauern, bis der Roboter den gesamten Tiefspeicher der Albertina geräumt hat. Die Ursache des Wassereintritts über die Basteiterrasse müssen nun unabhängige Experten untersuchen, hieß es am Mittwochabend aus der zuständigen Burghauptmannschaft, die den 2005 eröffneten Speicher in Auftrag gegeben hatte. Der Speicher war bis dato Stolz des Hauses und auf dem letzten Stand der Technik. Die Kunstwerke wurden in säurefreien Kartons auf einem Hochregal gelagert, Metallboxen wären zu schwer, sagte Verena Dahlitz. Diese mit durchschnittlich je 60 Blättern gefüllten Kartons werden nun im Lauf der Tage in der Basteihalle gestapelt – und natürlich schwer bewacht. Danach werden die Kassetten per Kunsttransporter in ein streng geheimes Lager gebracht.
Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder (im Bild) habe bereits sein „Notfallsquartier“ gefunden, ließ er ausrichten. So ein Kunstlager muss vollklimatisiert sein, als Platzbedarf gab die Albertina 1000 Quadratmeter an.
Die anderen Wiener Museen wie Leopold Museum und Museum Moderner Kunst sagten auf SN-Anfrage, dass sie in ihren Depots für Schröders Meisterwerke keinen Platz hätten. Die nahe gelegene Nationalbibliothek wollte helfen, Direktorin Johanna Rachinger konnte aber nur „unbrauchbare“ Räume anbieten, wie sie selbst zugab, schlecht geschützt und ohne Klimaanlage. Ihre anderen, „sicheren“ Speicher seienebenfalls bis an den Rand voll, sagte Rachinger den SN.
Im MUMOK (Museum Moderner Kunst) und im Leopold Museum hat man die Kunstdepots ebenfalls jeweils „im Haus“. Im MUMOK hatte man seit der Eröffnung 2002 mitunter Probleme mit eindringender Feuchtigkeit, nach „etlichen Kämpfen“ (Sammlungsleiter Wolfgang Drechsler) wurden diese Depots 2006 total saniert. Trotzdem wird auch jetzt noch „bei jedem größeren Regen kontrolliert“, sagt Drechsler.
Burghauptmann Wolfgang Beer sagte den SN, man müsse nun schnell und pragmatisch handeln, um Kosten zu sparen. Erst werden die Ursachen per Sondieröffnung festgestellt, mit Vorsicht, um die Substanz des Belags auf der Albertina-Terrasse nicht zu verletzen. Schuldzuweisungen wollte Beer keine machen, er hoffe aber auf rasche Behebung des Schadens.
Erich Marx, der Direktor des Salzburg Museums, „leidet entsetzlich mit den Kollegen in Wien“ mit. Marx kennt die Einrichtungen der dortigen Depots und ist voll des Lobes: „Das ist ein perfektes Depot nach dem neuesten Stand der Technik.“ Und doch könne man nie ausschließen, dass ein kleinster (Bau-)Fehler, eine technische Kleinigkeit verheerende Wirkung zur Folge haben kann. Das habe nichts mit konservatorischen Schwächen zu tun, die Albertina sei hier gewiss vorbildlich und perfekt aufgestellt. Sie habe auch perfekte Verpackungen. Abgesehen vom erheblichen personellen und logistischen Aufwand sei eine „Zwischenlagerung“ heute kein Problem, sagt Marx; es gebe beispielsweise auch private Firmen, die klimatisierte und (brand-)sichere Räume anbieten – sei es in Wien, sei es in München. Aber natürlich könne man darüber keine Details verraten.