Stefan Sandner setzt nach Eva Schlegel die
österreichischen Karrieren in der Secession fort – passend zum Haus eine
weitere Befragung des Mediums Malerei in abstrakt-konzeptueller Richtung.
Allerdings werden die Wahrnehmungstheorien etwa der amerikanischen
Minimalisten um einige neue Aspekte bereichert: neben direkter Wirkung ist
der Reiz der Erinnerung an die Kunstgeschichte einbezogen.
Am Ort der Geburt der Abstraktion aus dem Ornament im Beethovenfries
Gustav Klimts kommt die Figur nach ihrem Verschwinden durch die Hintertür
wieder herein und doch ist sie bei Sandner auch ein abstraktes Zitat. Bild
als Bildobjekt der "Shaped Canvas" bietet dann weitere Facetten rund um
die Erkenntnisse heutiger Wahrnehmung und Interaktion mit dem Publikum.
Unverrätselt hat der Künstler seine großen Formate einfach nur in einer
Reihe an die Wände des kapellenartigen Raums gehängt und ermöglicht so die
Erfassung einer heterogenen Serie.
"Im Grafischen Kabinett" hat Kristina Leko aus Zagreb mit Hilfe von
Teilhabe anderer einen neuen Salon gebaut – auch wenn er früher eher im
Künstlerhaus zu suchen war, ist das Projekt "Beweis Nr. 4: Jede/r Mensch
ist ein/e Künstler/in" auch mit wenig Wissen auf den Ausspruch von Joseph
Beuys 1972 bezogen. Leko integrierte Porträts, die durch einen Kurs für
die "Volkshilfe Beschäftigung" entstanden sind, mit Gegenständen, die
Freunde und Mitglieder der Secession als Sammelobjekte borgten. Dazu gibt
sie am Plakat die "Zwölf Grundregeln einer Ethik für Künstler/innen"
bekannt, die wohl für die Kollegenschaft ein wenig zu politisch korrekt
und als neue zwölf Gebote Kunsterziehung und Religionsstunde annähern.
Besonders interessant scheint der Bezug zu Secession, den der
amerikanische Künstler Dave Hullfish Bailey mit seinen Installation
"Elevator" herstellt. Es handelt sich um Getreide und seine
wirtschaftliche Dimension. Grund ist nicht nur der nahe Getreidemarkt,
sondern die Zweckentfremdung der Secession als Getreidesilo während des
Zweiten Weltkriegs. Doch diese Ironie wäre Baileys komplexem Blick auf
katastrophale Strukturen, Konflikte und Instabilität zu wenig: Es geht
auch um die Skandalgeschichte der ultramodernen Architektur Josef Maria
Olbrichs in Reaktion auf den Historismus. Noch eine Schiene zum Getreide
ortet der Künstler in den Speichern des Albaner Hafens (aus
nationalsozialistischer Zeit). Dort hatte es durch die Feinstaub-Reaktion
beim Zermahlen von Getreide mit Luft schon einmal eine Explosion mit
anschließendem Brand gegeben. Bleibt zu hoffen, dass die Secession als
revolutionärer Kunsttempel von diesen Katastrophen verschont bleibt.
Secession, Friedrichstraße 12, 1010 Wien
Bis 25. Juni
Kunstpolitisch.
Freitag, 19. Mai
2006