Kultur/Medien | 02.10.01 | www.DiePresse.at
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Vom Schimmern des umschmeichelten Steins

Karl Prantl, 78, wird vom Museum für bildende Künste in Prag eine umfassende Retrospektive eingeräumt. Die Rede ist dabei vom Werk einer lebenden Legende der klassischen Bildhauerei der Moderne.

Das Haus in der Prager Celetná in unmittelbarer Nähe des Pulverturms unweit des Altstädter Rings verfügt über einen hohen Eigenwert. Als Behältnis einer über 40 Jahre umfassenden Präsentation von Steinen Karl Prantls eignet es sich aus mehreren Gründen.
Seinen Namen "Zur schwarzen Muttergottes" trägt es nach dem Hauszeichen eines Barockbaus, der einer kubistischen Architektur weichen mußte. An ihr ist abzulesen, wie die Tendenz zum dekorativen Jugendstil um 1911/12 zum Primat der Fläche mit einer Betonung plastischer Elemente übergeleitet wurde.
In diesem einstigen Kaufhaus, jetzt Sitz des Tschechischen Museums für bildende Künste, wird eine permanente Ausstellung des tschechischen Kubismus in den oberen Stockwerken gezeigt. Insgesamt sind es fünf Etagen. Drei davon nutzte Kuratorin Miroslava Hájek zur Reihung eines fülligen Werküberblicks. Er erinnert an Prantls frühe, strenge schwarze Granitsteine "zu Meditation" in Form von Blöcken, Säulen, Stelen mit entsprechenden Markierungen, Einkerbungen, Reihungen. Dann an die mit ihnen partiell parallel laufenden, wechselnden Annäherungsweisen an anderes Gestein. Stets wurde es mit seinen Strukturen, Adern, Brüchen außerordentlich ehrfurchtsvoll als von altem Leben durchzogen behandelt: Serpentin, Marmor, Amazonit - und alle Arten von Granit.
Der Respekt dieses Bildhauers gegenüber seinem Material, das ihm emotionelle wie spirituelle Kräfte vermittelt, ist groß. Seine Liebe zur "Persönlichkeit" eines auserwählten Blocks, einer Tafel, einer gelängten Form läßt ihn das jeweilige Stück umschmeicheln, ehe er ihm seine Gestalt verleiht. In den letzten Schaffensphasen hat er das ursprünglich Verdichtete oft in Bewegung gelangen lassen. Schichtungen in Segmenten wurden begleitet und hervorgehoben.
Das führt gelegentlich an jene Grenzen, die den formenden Eingriff gegenüber dem Geäder, dem farbigen Schimmern des Steins, zurücktreten lassen. Manchen Betrachtern erscheint das zu "schön" - vor allem, wenn mehrere miteinander verwandte Arbeiten zu dicht aneinander gereiht werden. Das ist zum Teil der Fall, vielen Stücken fehlt es an Raum. Andererseits haben wohl noch nie so viele, nicht für Freizonen gedachte Arbeiten an einem Ort wie diesem zusammenfinden können.
Die vom Bundeskanzleramt der Republik Österreich unterstützte, gemeinsam mit dem Prager Kulturinstitut veranstaltete Ausstellung wird so jedenfalls anderswo nicht erlebbar sein. Die Organisatoren sprechen vom "Werk einer lebenden Legende der europäischen und weltweiten klassischen Moderne der Bildhauerei" und erhoffen sich von der Schau "einen wichtigen Beitrag im Rahmen der Integrationsbemühungen der Tschechischen Republik im Hinblick auf den Beitritt zur Europäischen Union".
Schön, daß es ein Künstler ist, dem man zutraut, als Mittler dienen zu können. Schon früh, zu Beginn der sechziger Jahre, hatte Prantl Kontakt zu tschechischen Kollegen gesucht und ihnen im Rahmen der von ihm mit initiierten Symposien Europäischer Bildhauer zu helfen verstanden. Zwei "Überlebende", Chlupac und Zoubek, haben ihm dafür anläßlich der Eröffnung ausdrücklich gedankt. In St. Margarethen, der "Urzelle" aller damit verbundenen Aktivitäten, will Prantls Tochter Katharina den Versuch unternehmen, wieder "scharf" zu machen, was dort an entsprechende Zusammenkünfte erinnert.
Prag 1, Celetná 34, bis 6. Jänner 2002. Täglich außer Montag 10 bis 18 Uhr.

© Die Presse | Wien
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