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Kunstberichte

Zuletzt lacht immer die Hyäne

Kunstsinnig
Illustration
- Claudia Aigner ist Germanistin und Kunsthistorikerin und glaubt an das Lachen als Symptom der Erkenntnis.  Foto: E. A. Richter

Claudia Aigner ist Germanistin und Kunsthistorikerin und glaubt an das Lachen als Symptom der Erkenntnis. Foto: E. A. Richter

Von Claudia Aigner

Zwei Dinge sind gewiss. Erstens: Hyänen essen stets alles brav auf. Zweitens: Kunstkritiker haben den gefährlichsten Beruf auf der Welt. Und warum Letzteres? Siehe: erstens.

Was muss das für ein kolossales Schmatzen gewesen sein, vor 240 Jahren in der schwedischen Stadt Hoppala (nein, die heißt irgendwie anders)! Jedenfalls ist "Das große Fressen" (dieser Rülps- und Flatulenz-Klassiker) eine Lercherlblähung dagegen. Nein: ein Flohbäuerchen! Denn immerhin hat dieses denkwürdige Wettessen dem Gastgeber, der den andern beim Futtern freilich bloß zugeschaut hat, einen womöglich heute noch gültigen Lehrsatz aus dem Mund gerissen.

Carl von Linné (richtig: dieser Zwangsneurotiker, der die komplette Natur klassifizieren hat müssen, damit die Botaniker mit stolzgeschwelltem Kehlkopf "Bellis perennis" sagen können und der ordinäre Blumenpflücker nur Bahnhof versteht statt: "Gemeines Gänseblümchen"), der Linné also hat damals ausgerufen: "Drei Fliegen verputzen ein totes Pferd ebenso gschwind wie ein Löwe."

Na summ (äh: bumm)! Die Fliegenmädeln Inga, Agneta und Bjursta (nach Letzterer hat Ikea pikanterweise einen Esstisch benannt), drei rassige, schwarz behaarte Schwedinnen, waren allerdings gedopt. Hatten sich mit dem unersättlichen Björn (einer "Deckfliege") vergnügt. Und gegen die vielen "Mitesser" (Larven, deren Papa besagter Björn war) hatte der gefoulte Löwe keine Chance.

Gut, wahrscheinlich hat der Linné den empirischen Beweis für den Appetit der nekrophilen Zweiflügler eh nicht erbracht und denen (deren Namen ich frei erfunden habe) nicht wirklich einen Gaul zum Fraß vorgeworfen. Sondern nur gut geraten. Aber seit die Biene Maja (diese Einstiegsdroge in die Welt der Kreuchenden und Fleuchenden) die Entomologin in mir geweckt hat, hab ich eben diesbezüglich eine blühende Fantasie. Die dementsprechend viele Insekten anlockt. Und seit ich nun weiß, was die für einen Kohldampf haben, würd’ ich mich natürlich nie mit denen anlegen.

Mit Künstlern freilich auch nicht. Die vertragen einfach keinen Tadel. Am liebsten würden sie die Kritiker ja mit hyänischer Gründlichkeit beseitigen. Und die Hyänen sind akkurater als die Deutschen.

38 Tüpfelhyänen (das sind jene, die dauernd so anlassig kuttern, weil sie die Lachtherapie so penetrant praktizieren wie der Tarzan die Urschreitherapie) wurden etwa dabei beobachtet, wie sie zwar ganze 15 Minuten gebraucht haben, um über einen Zebrastreifen zu gehen, doch dafür waren nachher alle Streifen feinsäuberlich vom Asphalt geleckt. Oder war’s doch ein echtes Zebra, das da auf der Fahrbahn gelegen ist (oder meinetwegen in der afrikanischen Savanne)? Wie auch immer: Die Hyänen lassen nix übrig. Weder Huf noch Horn.

Ich hab auf einmal eine ungute Vision. Ein Maler, den ich verrissen hab’ (nennen wir ihn Hermann N.), drückt mir ein rotes Tüchl in die Hand, als Nächstes rennt mich ein wilder Stier über den Haufen. Als ich wieder zu mir komm’, bin ich gekreuzigt und ein Komplize des N., ein irrer Wissenschafter, zieht mir mit aberwitzigen, die Menschenrechte und Privatsphäre verletzenden Methoden sämtliches Eisen aus dem Leib (und er macht das nicht mit einem Magneten ). Der N. haut dann mehrmals mit dem Hammer drauf, während er das Schmiedelied aus dem "Siegfried" singt: "Hoho! Hoho! Hohei! Hohei! Hoho! Blaaaase, Balg! Blaaaase die Glut!"

Anämisch vor lauter Eisenmangel (und die Fingernägel sind mir auch schon ganz brüchig), seh’ ich endlich, was es ist, was er da herstellt: ein 25 mm langer Nagel. (Weil: Genau so viel Eisen enthält ein Mensch.) Den Rest von mir verfüttert der N. an die Fliegen (oder an Leih-Hyänen aus dem Zoo). Und der Nagel? Damit hängt er triumphierend eines seiner Bilder auf. Welche Schmach! Nein, so will ich nicht enden. In diesem Sinne: Die Sachen vom Hermann N. sind total super.

claudia.aigner@wienerzeitung.at

Freitag, 12. Oktober 2007


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