Zwei Dinge sind gewiss. Erstens: Hyänen essen
stets alles brav auf. Zweitens: Kunstkritiker haben den gefährlichsten
Beruf auf der Welt. Und warum Letzteres? Siehe: erstens.
Was muss das für ein kolossales Schmatzen
gewesen sein, vor 240 Jahren in der schwedischen Stadt Hoppala (nein,
die heißt irgendwie anders)! Jedenfalls ist "Das große Fressen" (dieser
Rülps- und Flatulenz-Klassiker) eine Lercherlblähung dagegen. Nein: ein
Flohbäuerchen! Denn immerhin hat dieses denkwürdige Wettessen dem
Gastgeber, der den andern beim Futtern freilich bloß zugeschaut hat,
einen womöglich heute noch gültigen Lehrsatz aus dem Mund gerissen.
Carl von Linné (richtig: dieser Zwangsneurotiker, der die komplette
Natur klassifizieren hat müssen, damit die Botaniker mit
stolzgeschwelltem Kehlkopf "Bellis perennis" sagen können und der
ordinäre Blumenpflücker nur Bahnhof versteht statt: "Gemeines
Gänseblümchen"), der Linné also hat damals ausgerufen: "Drei Fliegen
verputzen ein totes Pferd ebenso gschwind wie ein Löwe."
Na summ (äh: bumm)! Die Fliegenmädeln Inga, Agneta und Bjursta (nach
Letzterer hat Ikea pikanterweise einen Esstisch benannt), drei rassige,
schwarz behaarte Schwedinnen, waren allerdings gedopt. Hatten sich mit
dem unersättlichen Björn (einer "Deckfliege") vergnügt. Und gegen die
vielen "Mitesser" (Larven, deren Papa besagter Björn war) hatte der
gefoulte Löwe keine Chance.
Gut, wahrscheinlich hat der Linné den empirischen Beweis für den
Appetit der nekrophilen Zweiflügler eh nicht erbracht und denen (deren
Namen ich frei erfunden habe) nicht wirklich einen Gaul zum
Fraß vorgeworfen. Sondern nur gut geraten. Aber seit die Biene Maja
(diese Einstiegsdroge in die Welt der Kreuchenden und Fleuchenden) die
Entomologin in mir geweckt hat, hab ich eben diesbezüglich eine
blühende Fantasie. Die dementsprechend viele Insekten anlockt. Und seit
ich nun weiß, was die für einen Kohldampf haben, würd’ ich mich
natürlich nie mit denen anlegen.
Mit Künstlern freilich auch nicht. Die vertragen einfach keinen Tadel. Am liebsten würden sie die Kritiker ja mit hyänischer Gründlichkeit beseitigen. Und die Hyänen sind akkurater als die Deutschen.
38 Tüpfelhyänen (das sind jene, die dauernd so anlassig kuttern,
weil sie die Lachtherapie so penetrant praktizieren wie der Tarzan die
Urschreitherapie) wurden etwa dabei beobachtet, wie sie zwar ganze 15
Minuten gebraucht haben, um über einen Zebrastreifen zu gehen, doch
dafür waren nachher alle Streifen feinsäuberlich vom Asphalt geleckt.
Oder war’s doch ein echtes Zebra, das da auf der Fahrbahn
gelegen ist (oder meinetwegen in der afrikanischen Savanne)? Wie auch
immer: Die Hyänen lassen nix übrig. Weder Huf noch Horn.
Ich hab auf einmal eine ungute Vision. Ein Maler, den ich verrissen
hab’ (nennen wir ihn Hermann N.), drückt mir ein rotes Tüchl in die
Hand, als Nächstes rennt mich ein wilder Stier über den Haufen. Als ich
wieder zu mir komm’, bin ich gekreuzigt und ein Komplize des N., ein
irrer Wissenschafter, zieht mir mit aberwitzigen, die Menschenrechte
und Privatsphäre verletzenden Methoden sämtliches Eisen aus dem Leib
(und er macht das nicht mit einem Magneten ). Der N. haut
dann mehrmals mit dem Hammer drauf, während er das Schmiedelied aus dem
"Siegfried" singt: "Hoho! Hoho! Hohei! Hohei! Hoho! Blaaaase, Balg!
Blaaaase die Glut!"
Anämisch vor lauter Eisenmangel (und die Fingernägel sind mir auch
schon ganz brüchig), seh’ ich endlich, was es ist, was er da herstellt:
ein 25 mm langer Nagel. (Weil: Genau so viel Eisen enthält
ein Mensch.) Den Rest von mir verfüttert der N. an die Fliegen (oder an
Leih-Hyänen aus dem Zoo). Und der Nagel? Damit hängt er triumphierend
eines seiner Bilder auf. Welche Schmach! Nein, so will ich nicht enden.
In diesem Sinne: Die Sachen vom Hermann N. sind total super.
claudia.aigner@wienerzeitung.at
Freitag, 12. Oktober 2007