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Karikaturmuseum Krems wurde eröffnet: "Alles Karikatur - Das gezeichnete 20. Jahrhundert"

McDonald's im Lenin-Mausoleum

Von Claudia Aigner

Debattieren Sie mit!Wer vor einer fettigen Ecke vom großen Joseph Beuys einen Lachanfall bekommt, blamiert sich vor der ganzen Kunstgeschichte bis aufs Zahnfleisch (und es geschähe ihm wohl recht, wenn ihm jemand, zur Ehrenrettung der ernsten Kunst, den Mund tamponieren würde). Wer also auf Nummer sicher gehen will, dass bei ihm die Mundwinkel nicht nur aufgrund einer blamablen Fehlleistung hochschnellen, der geht halt lieber gleich in Österreichs erstes und einziges Karikaturmuseum (in Krems).
Da macht ja nicht einmal die Architektur ein Pokerface. Mitten in der Fassade des nicht gerade alltäglichen Gustav-Peichl-Baus, den sich das Land Niederösterreich knapp 40 Mill. Schilling kosten ließ, hat sich nämlich ein kleines, wenn auch ziemlich lapidares Clownsgesicht eingenistet: zwei Fensterln (sind sicher die Augen) und darunter ein roter Würfel (muss die Nase sein). Durchaus erheiternd (aber ich bin mir nicht sicher, ob in einem Sinne lustig, dass sich der Peichl geschmeichelt fühlen könnte). Wirklich gut geworden ist aber das bizarre Faltdach. Die ungewöhnlich zackige Dachlösung ist nicht etwa das Seismogramm eines mittelschweren Raucherhustens (Copyright: Manfred Deix) oder die grafische Darstellung einer Zwerchfellerschütterung der Stärke 2 auf der nach oben offenen Deix-Skala. Eventuell so etwas wie eine Kasperlmütze oder eine kecke Frisur. Die Regentropfen haben da oben sicher eine größere Hetz als auf einem öden Flachdach. Peichl: "Ich bin ein Anhänger der Theorie, dass Architektur auch Freude machen soll."
Für sich selber hat Gustav Peichl (der bekanntlich im Nebenerwerb selbst Karikaturist und als solcher der Ironimus ist) im Parterre ein "Ironimus-Kabinett" reserviert. Das eigentliche Zugpferd, auf das man hier setzt, ist aber offensichtlich der Brutalokarikaturist Manfred Deix, der das Obergeschoss (und die Klotüren) für sich allein hat und der es in der Disziplin "Geschmacklosigkeit" zu einer wahren Genialität gebracht hat.
Beim Deix ist man ganz ungeniert, es wird der Fortpflanzung und der Geilheit gefrönt, die Hinternputzmoral ist nicht besonders stark ausgeprägt und auch verdaut wird ohne Zurückhaltung. Aber es hat ja sowieso schon jeder gewusst, dass nicht der Storch das "Gacki" bringt. Und man könnte meinen, dass entweder alle Österreicher Retortenbabys aus der Bierdose sind oder dass die Evolution in Österreich halt eine Abzweigung genommen hat und die Alpenrepublikaner und die Debreziner womöglich denselben Vorfahren haben. Wie auch immer: Politik und andere Vorkommnisse (das "Allgemeingesellschaftliche") bannt der Deix in einer einmaligen Kombination aus brillantem Bildwitz und kongenialem Sprachwitz aufs Papier.
In einem eigenen Raum im Erdgeschoss sind zwei bis drei Wechselausstellungen pro Jahr geplant. Den Anfang macht (bis 26. Mai 2002) "Alles Karikatur - Das gezeichnete 20. Jahrhundert". Eine internationale Auswahl von Cartoons, politischer Karikatur und Porträtkarikatur. Darunter auch zwei Originalzeichnungen aus den Disneystudios (Donald Duck und Baloo der Bär). Die Wände sind volltapeziert mit (hintergründigem) Vergnügen.
Vergangenheitsüberwältigung: "Die Wahrheit siegt oder Weaner Melange" (von H. E. Köhler). Julius Raab, dem der Leopold Figl über die Schulter schaut, berichtigt da mit dem Pinsel die irrige Meinung, 1938 habe man den Hitler in Österreich jubelnd empfangen, und malt die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit, nämlich, dass Hitlers Einzug in Österreich eigentlich eh nur unwesentlich besser besucht war als der Mond damals. Diesem Obernazi hat am Straßenrand halt ein altes Muaterl zugewinkt. Andere Zeiten, andere Tischmanieren: Im postkommunistischen Russland schmeißt der Big Mäc den großen Lenin aus seinem klimatisierten Grab und ein McDonald's zieht im Lenin-Mausoleum ein ("Letzte Meldung aus Moskau" von Horst Haitzinger).
Und ein Karikaturmuseum ist wohl der passende Ort, um sich zu fragen: Wie künstlerisch wertvoll ist die Karikatur überhaupt und wie museumswürdig ist der Humor (was nicht heißen soll, dass die "ernste Kunst" komplett humorlos wäre)? Da ist es natürlich besonders reizvoll, wenn von Karikaturisten, deren Metier die Unterhaltung ist, die E-Kunst aufs Korn genommen wird. Etwa wenn bei Charles D. Saxon eine Kunstsammlerin einen Fauxpas gegen den einzig zulässigen Kunstgeschmack begeht und hingebungsvoll ein kleines Blümchenbild zu einem übermächtigen abstrakten Opus dazuhängt, ohne offenbar vorher einen Kunstkritiker konsultiert zu haben, der ihr ja gesagt hätte, dass ihr die Blümchen selbstverständlich nicht gefallen dürfen. Und beim Deix hat der "Parade-Bluter" Hermann Nitsch eine blaue Periode (wie ja auch Binden bei Saugfähigkeitstests in der Fernsehwerbung fast durchwegs Empfänger einer total weltfremden blauen Periode sind, obwohl Frauen doch keine auslaufenden Füllfedern sind, genauso wenig wie Picassos Kunstäußerungen vor seiner blauen Periode lediglich ein prämenstruelles Syndrom gewesen sind). Ein freiheitlich blaues Schüttbild wäre im Falle von Hermann Nitsch jedenfalls eine Form von kaum zu überbietbarem Masochismus.

Erschienen am: 02.10.2001

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