Kunst und Stadtentwicklung | |
Sabine Oppolzer über eine international besetzte Diskussionsreihe über mögliche Entwicklungen des Museumsquartiers.
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Ende Juni eröffnet das Museumsquartier in
Wien. Werden die Feierlichkeiten den Schlussstrich unter ein phasenweise
sehr umstrittenes Projekt ziehen? Oder werden die Sektkorken der
Startschuss für ein international Aufsehen erregendes
Kultur-Jahrhundert-Projekt sein? Was kommt dann? Eine Flut von Touristen aus aller Welt, die diese einzigartige Konstruktion kultureller Vielfalt überschwemmen werden? Werden auch die angrenzenden Bezirke damit einen sensationellen Aufschwung erleben? Viele unbeantwortete Fragen also. Die Errichtung der Tate Modern, eines gigantischen Ausstellungsraumes für
moderne Kunst, der vor einem Jahr in London eröffnet wurde, könnte die
Antwort darauf geben. Denn die städtebauliche Signalwirkung dieses von Herzog & DeMeuron konzipierten Gebäudes in einem der
ärmsten Stadtviertel Londons ist mehr als beachtlich. Bereits im ersten Jahr nach der Eröffnung war der Tate Modern ein
Besucherstrom von drei Millionen Menschen prognostiziert worden. Damien
Whitmore, der für die Öffentlichkeitsarbeit in der Tate Modern zuständig
ist, präzisiert: "Drei Millionen hatten wir schon im Oktober 2000.
Innerhalb des ersten Jahres, also bis Mai 2001 werden wir auf 5 Millionen
kommen." Aufschwung durch Architektur Der erste Besucherstrom galt allein der Architektur. Das
Architektenteam Herzog & DeMeuron hatten das
Redbrick-Elektrizitätswerk aus dem vorigen Jahrhundert mit einer Aufsehen
erregenden Dachkonstruktion aus Glas umgebaut. Damit ist das Zentrum
Londons durch eine neue Ikone zeitgenössischer Architektur bereichert. Dem
ursprünglichen Architekten, Charles Gilbert Scott, ist bereits eine Ikone
des Londoner Stadtbildes zu verdanken: die traditionellen roten
Telefonzellen. Dennoch ist Charles Gilbert Scott, dessen Vater Bahnhöfe entworfen hat,
ein vergessener Designer. Damien Whitmore ist begeistert: "Wir haben also
nicht nur ein wunderbares Gebäude in London wiederentdeckt, sondern eine
ganze Design-Dynastie, die immerhin hundert Jahre hier gewirkt hat." Kehrseite der Medaille Bis vor kurzem war das Gebiet südlich der Themse, obwohl nur einen
Steinwurf von London City entfernt, ein sehr entlegener Stadtteil, der von
brach liegenden Industriegeländen dominiert wurde. Das hat sich seit
Errichtung der Tate Modern geändert. Heute ist der Bezirk, zumindest im
Bereich der Themse, schick geworden. Ein Effekt, der durch die
traditionellermaßen kaum gelenkte Stadtentwicklung in London zu rasch kam
und übers Ziel hinausschoss. Denn für jene Schichten, die davon eigentlich
profitieren sollen, ist Southwalk als Wohngegend nicht mehr
finanzierbar. Kulturelles Brachland Der Großteil des Stadtteils Southwalk, der sich weit in den Süden
erstreckt, ist zwar teurer geworden, aber kulturell kaum neu belebt. Die
Moral von der Geschichte: Es sollte nicht verabsäumt werden, in der
Umgebung eines solchen Großprojektes Satelliten wie Ateliers oder Galerien
anzusiedeln. Wie gelingt es also die Dynamik, die kulturelle Großprojekte wie die
Tate Modern oder das Museumsquartier mit sich bringen, möglichst produktiv
für das gesamte Umfeld auszunützen? Welche Lehren kann Wien aus den
Erfahrungen Londons ziehen? Eine vom Museumsquartier initiierte
Veranstaltungsreihe wird Fragen wie diese erörtern. Den Beginn machte am
Mittwoch Damien Withmore von der Tate Gallery, der im RadioKulturhaus über "Kunst und Kultur als Motor der
Stadtentwicklung" referierte. Diskussionsreihe Die nächste Veranstaltung der Serie "1:2001" am 27. April wird die Möglichkeit bieten, die Rolle der so genannten "Cultural Industries" im zukünftigen "Quartier 21" zu analysieren. Das Impulsreferat zur Diskussion über die gesamteuropäische Bedeutung dieses Sektors wird Justin O'Connor vom Manchester Institute of Popular Culture halten. Am 29. Mai gibt es dann eine Diskussion zum Thema "Hubs, Networks und Links. Kulturorganisationen im globalen Kontext". | ||