Galerien
Loch kommt von Graben
(cai) "Die Räuber" von Ali
Baba, Tschuldigung: von Friedrich Schiller, haben fünf Akte.
Gut, das ist ja noch normal. Aber "Die Blöße", die besteht aus
mindestens 40 Akten! Und genau genommen sind die eh nicht in
Schillers Technik gearbeitet ("Worte auf Papier"), sondern in der
Technik " Nackerte auf Papier". Ein Nudistendrama also? Nein,
eine Ausstellung. Das beeindruckendste Exponat (zugleich das
unkeuscheste) verdankt sich freilich einer andern Methode: "Loch in der
Wand." (Löcher liegen halt nicht nur auf der Straße.) Da hat einer
leidenschaftlich die Wand aufgestemmt. Die klaffende Wunde ist wohl die
Antwort auf folgende Frage: "Ist es schwer, ein total schamloses Bildnis
zu meißeln?" – "Nein, gar nicht. Man muss bloß alles wegschlagen, was
nach Sitte und Anstand ausschaut."
Und von wem ist nun dieses Meisterwerk? Na ja, vom
Installateur. Seine Reaktion auf einen Wasserrohrbruch in der Galerie.
Was kann denn ich dafür, dass dieses "Feuchtgebiet" wie Kunst
aussieht? (Schade, dass es irgendwann wieder zugespachtelt werden
wird.) Noch dazu befindet sich gleich darunter ein Blatt mit einer
ungenierten Dame drauf. Und Gernot Baur hat die Gespreizte mit so
schüchternem Strich aufs Papier "geflüstert", dass sie nur umso
aufreizender ist. Weil man ganz nah hingehen muss. Okay, die Erotik hier
ist mitunter ein bissl trocken. Doch beim griffigen Torso von Rainer
Wölzl hätte man große Lust hinzugreifen. Und wenn Juliana Do aus 30
Plexiglasscheiben, in die sie vorher haarfeine Kratzer gemacht hat,
einen Kubus zusammensetzt, ist das äußerst appetitlich. Der dichte
"Pelz" räkelt sich da drin kokett wie in einer Peepshow. Das ist kein
Würfel mehr, das ist ein "Würfell". Und der markig hingekritzelte
Wüstling von Ernst Skrièka zeugt gar von männlicher Selbstironie. Was,
so etwas existiert?
Galerie Lang
(Seilerstätte 16), "Die Blöße", bis
23. Dezember
Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 16 Uhr
Das Huhn sei uns gnädig
(cai) Was steht auf einem
Berggipfel herum? a) Ein Gipfelkreuz, b) ein Rotweinglas (damit man sich
einen Höhenrausch antrinken kann) oder c) ein Häferl Punsch. Richtig:
b. Zumindest beim Paul Flora. Ähm, aber ist nicht der Punsch
das offizielle Getränk im Advent? Ja, doch der Flora hat ja auch nicht
plötzlich angefangen, statt Raben Christkindln zu zeichnen, bloß weil
der Gerersdorfer ihn halt immer just vor Weihnachten
ausstellt. Und der G. hat noch genug Vorräte, dass er auch eineinhalb
Jahre nach dem Tod des Meisters mit dieser Tradition nicht brechen muss.
Älpler, Pestdoktoren, mondsüchtige Wanderer – die sind alle allergisch
gegen die Gegenwart (wie die Reiter gegen Autos). Aha, Nostalgiker. Und
wenn der Humor grad nicht melancholisch ist, ist er surreal: "Der
schreckliche Traum vom großen weißen Huhn." Der XXL-Vogel muss "Moby
Chicken" sein. Der Rächer der Legehennen. (Tja, wenn Gott ein Hendl ist,
dann gnade uns das Huhn!) Die Bilder kommen einem fast alle bekannt
vor. Egal. Die kann man sich mehrmals anschauen,
während man über einen Witz ja nur einmal lacht.
Galerie Gerersdorfer
(Währinger Straße 12), Paul
Flora, bis 23. Dezember
Mi. – So.: 11 – 20 Uhr
Frauen sind Stillleben
(cai) Eine Ballerina zappelt
normalerweise herum. Bei Laura Ribero hält sie aber still, ohne mit dem
großen Zeh zu zucken. Hängt schlaff über die Brüstung. Verschmilzt mit
der Architektur. Ribero selbst fügt sich verträumt in ein
Vanitas-Stillleben ein. Stimmungsvolle Fotos, perfekt wie
altmeisterliche Gemäldeund gern sentimental bis zur Rührseligkeit. Eine
extreme Ruhe strahlen sie aus. Wenn man auf einmal den Straßenlärm
nimmer hört, ist das ein Placeboeffekt.
Galerie Hubert Winter
(Breite Gasse 17), Laura
Ribero, bis 23. Dezember
Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 14 Uhr
Printausgabe vom Mittwoch, 15.
Dezember 2010
Online seit: Dienstag, 14. Dezember 2010 19:02:00
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