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Kunstberichte

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Lachen Nr. 5

(cai) Rätselraten ist ja so verdammt anstrengend! Besonders wenn man nicht schummeln kann. Weil es kein Kleingedrucktes mit der Auflösung gibt. Warum listet jemand Songtitel vom Bob Dylan auf und behauptet, das wär’ ein Bild? Und ist der Rorschach elefant desselben Jemand ein afrikanischer oder ein indischer Rorschachelefant (und dürfen Organbanausen diesen exotisch geformten Klecks auch für die Nieren von einem Seepferdchen halten)? Ja, das mögen keine Gretchenfragen sein wie: Hatte Homer ein fotografisches Gedächtnis, um sich seine 28.000 Verse zu merken, und wie blind war er wirklich? Doch beantworten kann ich’s trotzdem nicht.

Walter Dahn stürzt sich also aufs kulturelle Erbe, aufs Hohe und Populäre, und greift ins gesammelte Bildmaterial diskret ein. Das heißt nicht, dass er sich mit seinen Siebdrucken den Mund abwischen oder die Nase putzen tät. Die verdächtigen Flecken, die zum Motto "petit fait vrai" (das Kleine schafft Wahrheit – na ja, jedenfalls erzeugt es Realität) gut passen, sind hoffentlich anderen Ursprungs. "Ahab" (wie der personifizierte Verfolgungswahn von Moby Dick): Da hat Dahn einem "grün" Dreinschauenden (Kategorie: studentischer Ökotyp) was sehr Ungrünes aufs T-Shirt gekritzelt: "I support whale hunt." Outet ihn als einen, der von ökologischer Nächstenliebe (Liebe den nächsten Wal wie dich selbst und mach gefälligst Babys, nicht Harpunen) nix hält.

"rioD" – oh, ein Anagramm! Das ist ja wie "Lachen Nr. 5" statt "Chanel Nr. 5". (Komisch, dem Dan Brown ist bisher entgangen, dass der Name der Migräne verursachenden Paris Hilton nix anderes ist als ein Anagramm für "Holt Aspirin!") Und wieso "rioD", in weißen Lettern? Ganz einfach: "White riot". Hä? Na: die Single von "The Clash"! Aha. Und was hat das mit Dior zu tun? Mir brummt zwar immer noch der Schädel von so mancher kryptischen Andeutung, aber: Denken ist eh aufregender als Nasenbohren.

Galerie Steinek
(Eschenbachgasse 4)
Walter Dahn
Bis 11. Jänner
Di. bis Fr. 13 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 15 Uhr
Hm. Keine Ahnung.

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Lakritze in der Tiefsee

(cai) Der Farbwert der Ausstellung tendiert eindeutig gegen null. Ihr Unterhaltungswert ist aber höher. Um den Beweis zu erbringen, dass Schwarz die Abwesenheit jeglicher Farbe ist, hätte der Nikolaus Moser zwar auch ein Blumenbeet asphaltieren können, doch lieber hat er natürlich bunten Ölfarben mit einer finstern Soße den Garaus gemacht. Und die Technik vom Heinz Kummer? Ölpest auf Leinwand. Deprimierend wie ein Ölteppich auf dem Meer. Götz Bury: Sein Humor ist vielleicht nicht kaviarpechrabenschwarz, aber zweifellos sehr düster. Sein "schwarzes Loch": eine verkohlte, hohle Holzkugel mit Öffnung. Was da reinfällt, zum Beispiel eine Schuppe, die sich aus dem Haar des neugierigen Voyeurs löst, kommt tatsächlich nicht mehr aus eigener Kraft wieder heraus. Und Erhard Stöbe hat der Danae das Licht abgedreht. Jetzt ist sie so leicht zu erkennen wie Lakritze in der Tiefsee. Die Münzen, die lüstern als Goldregen über sie herfallen wollen, haben sie auch noch nicht gefunden.

Galerie Lang
(Seilerstätte 16)
Einfach schwarz
Bis 21. Dezember
Mi. bis Fr. 12 bis 18 Uhr
Konsequent.

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Ein Haiku jodeln

(cai) Wie verhilft man einer Fläche zur dritten Dimension? Papier zerknüllt man einfach. Oder macht einen Origami-Kranich daraus. Josef Pillhofers Methode liegt irgendwo dazwischen. Er bringt Bleche in Schwung, indem er reinschneidet und sie verbiegt. Manchmal macht er sich’s ja recht einfach, doch dann: Jö, Verse in freien Rhythmen! Fast ein Haiku ist’s, wenn sich eine Woge energisch aufbäumt oder Kupfer auf einem Stein alpine Gefühle hat. Alles könnte man theoretisch wieder flachlegen. Aber nur Perverse täten das.

Galerie Chobot
(Domgasse 6)
Josef Pillhofer
Bis 22. Dezember
Di. bis Fr. 13 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 16 Uhr
Soso.

Mittwoch, 19. Dezember 2007

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