diepresse.com
zurück | drucken

13.01.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Albertina: Durch dunkle Kanäle
VON ALMUTH SPIEGLER
Ausstellung. Eduard Angelis neue Kohlezeichnungen von Venedig.

Vielleicht war ja die Farbe das Pro blem von Eduard Angeli. Obwohl formal äußerst reduziert, verliehen das Türkis der Lagune, das zarte Rosa der Wolken oder das kräftige Gelborange eines Sonnenaufgangs seinen 2003 im Oberen Belvedere präsentierten Venedig-Eindrücken genau diesen gefährlichen Drall ins Illustrative und Süßliche, der diese redundanten Motive so heimtückisch wie hinterrücks ins Dekorative trudeln lässt. So fürchtete man sich gar ein wenig vor einem endgültigen Aufprall im Kitsch, als die Albertina jetzt eine neue, in den letzten zwei Jahren vor Ort entstandene Venedig-Serie des 1942 geborenen Wiener Malers ankündigte - und in die schummrige Pfeilerhalle lud, zur besinnlichen Besichtigung.

Doch wer böse denkt . . . Angeli hat der Buntheit (weitgehend) entsagt und dadurch eine nahezu an Robert Longo - mit dessen großformatigem Freud-Zyklus dieser Raum einst eröffnet wurde - erinnernde Ernsthaftigkeit und Tiefe erreicht. Fast schon wieder zu viel Pathos könnte man seinen Kohlezeichnungen einer menschenleeren, ausgestorbenen, toten Stadt jetzt wiederum ergriffen konstatieren. Doch in erster Linie einmal wurde hier sehr präzise und sensibel beobachtet und mit Kohle gemalt - und so das verflixte Venedig-Klischee großteils souverän unter Kontrolle gebracht.

Sieht man von den anscheinend unvermeidbaren Wellenbrechern ab, könnte man fast vergessen, dass einem Angeli das Hier und Jetzt beschreibt, und nicht etwa eine lang vergessene, düster vor sich hin dräuende kafkaeske Kulissenlandschaft. Bedrohlich füllen ganze Häuserwände die Jute- oder Papierflächen, verbarrikadieren für den Betrachter so den Eintritt ins Bild, distanzieren sich, ähnlich wie die Bar am Eck zum kleinen Gässchen, die in ihrer Verlorenheit an die Einsamkeit bei Edward Hopper erinnert. Besonders gelungen sind Angeli die so genannten Nachtbilder, in denen die Konturen sanft verschwimmen dürfen und der Strich - wie beim Gassenlokal Nummer 447 - freier und expressiver wird.

Schwierig wird es dann wieder, wenn Angeli hier und da ein wenig Blau einfließen lässt oder auf dramatische Perspektiven nicht verzichten will - wie bei der Kirche oder den Badehüttchen. Und das Tageslicht verleitete ihn anscheinend dazu, Umrisse zu konkret und Formen zu kleinteilig wiederzugeben. Ein Leuchtturm wird dann eben nur zu einem Leuchtturm - und zwar zu einem, wie er im Bilderbuch steht.

Lieber bleibt man da mit Angeli in der Dämmerung und der Nacht und genießt seine bildfüllenden Ausschnitte von in Kanalwasser moderndem Mauerwerk, die leeren Hinterhöfe und die geisterhafte Glasfabrik - und die Stille, die hier herrscht, unter Venedigs Brücken, wenn sie keine Menschen ertragen müssen.

Info: Biografie, Öffnungszeiten

Eduard Angeli wurde 1942 in Wien geboren, elf Monate im Jahr lebt der Maler in Venedig. Die Ausstellung in der Albertina läuft bis 22. Februar, tägl. 10-18 Uhr, Mi. 10-21 Uhr.

© diepresse.com | Wien