Salzburger Nachrichten am 3. August 2006 - Bereich: Kultur
Elf bleiche Freunde und ein Wumm

Zwischenbericht vom "La Strada"-Festival in Graz - Puppenspiel im Fenster, Artistik in der List-Halle

MARTIN BEHR

GRAZ (SN). Elf Freunde auf einem Erkundungsweg durch die Stadt: Ihre Bewegungen lassen auf Körperbehinderungen schließen. Die Gliedmaßen sind bandagiert. Die bleichen Masken verkünden ein künstliches Lächeln. Das geheimnisvolle (Fußball-?)Team zieht unter dem Motto "Avec Fraternité" mit einem Geiger am Grazer Kunsthaus vorbei, vollführt Aufwärmübungen und Kuschelaktionen, aber keinen Zidane-Kopfstoß! Einige Hundertschaften begleiten die an Aliens erinnernden Akteure des französischen Theatre Rouge: Graz ist seit vergangenem Freitag im Bann des "La Strada"-Festivals.

Das von Werner Schrempf und Diana Brus organisierte Internationale Festival für Straßen- und Figurentheater füllt nicht nur das Sommerloch in der Uhrturm-Stadt. "La Strada" gibt ein Beispiel dafür, wie mit größtenteils hoher Qualität breite Publikumsschichten mobilisiert werden können. Während der "steirische herbst" sich in den vergangenen Jahren zunehmend vom Publikum und vom öffentlichen Raum entfernt hat, knüpfen etliche "La Strada"-Programmpunkte einen spannenden Dialog mit der urbanen Kulisse: Straßentheater kann viel mehr sein als Clownerie und Spaßmacherei.

Etwas überfrachtet verlief der Auftakt. Die Kompanie Joe Bithume widmete das Eröffnungsfest auf der Passamtswiese dem italienischen Filmemacher Federico Fellini, dessen 1954 gedrehter Streifen dem Grazer Festival den Namen gibt. Stundenlang tummelten sich Fellini-Figuren auf dem imaginären Filmset, was als sinnlicher Augen-, und Ohrenschmaus gedacht war, hätte eine straffere Organisation benötigt.

Eine weibliche Riesenbrust im offenen Fenster? Das klingt nach "Délit de Façade", die mit dem Programm "Autrement Dit" Fensterbühnen bespielen. Von ebener Erd' aus betrachtet das Publikum das tolldreiste Treiben einer durch und durch skurrilen Hausgemeinschaft. Den Muppets-Puppen nicht unähnlich, befriedigt die vom Baby bis zum Greis reichende Figurenschar voyeuristische Gefühle der Zuseher. In der Grazer Oper lud das Studio Percussion aus Graz zur Schlagzeug-Orgie "Wumm!". Viel Trommelwirbel, fluoreszierende Drum-Sticks und musikalische Zitate: wuchtiges Beat-Theater, das auf Verkleidungen und fliegende Perücken durchaus verzichten könnte.

Der Roma-Begriff "Bechtout" lässt sich mit "Setz Dich hin" übersetzen. "Bechtout" heißt auch die aktuelle Produktion des französischen Zirkus-Theaters "Baro D'Evel". In der Grazer List-Halle erzählt ein Quintett charmante Kurzgeschichten aus dem Alltag, garniert mit atemberaubender Artistik und poetischer Leichtigkeit.