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Kunstberichte

Quer durch die Galerien

Da kann nur noch der hl. Florian helfen. Oder ein Stromausfall. Denn das ewige Höllenfeuer in Fabrizio Plessis Beichtstühlen brennt eh nur auf Video. Galerie Mauroner

Da kann nur noch der hl. Florian helfen. Oder ein Stromausfall. Denn das ewige Höllenfeuer in Fabrizio Plessis Beichtstühlen brennt eh nur auf Video. Galerie Mauroner

Von Claudia Aigner

Was fällt denen wohl als nächstes ein, den Satanisten, diesen Perverslingen? Lassen sie bald ihre Quietsch-Entchen eine Runde im Taufbecken vom Stephansdom drehen, diese Irregeleiteten, und treiben dafür auch noch importiertes Originalwasser aus dem Jordan auf (oder von der Konkurrenz, vom Ganges)? Oder spielen sie mit dem schadenfrohen Gedanken, ihren Piranha im Weihwasserbecken freizulassen, diese Saboteure des Katholizismus, und bringen dann ein scheinheiliges Warnschild an: „Bekreuzigen auf eigene Gefahr“ oder: „Kein Trinkwasser“? Weil Satanismus einfach eine Verhaltensstörung ist?

Natürlich könnten sie ebenso Hostien mithilfe von diesseitigen, nämlich kariesverursachenden Kokosbusserln schänden oder mithilfe anderer Geschmacksverstärker, die sie draufsetzen auf die entsagungsvolle Oblate. Oder sie verteilen bei ihren schwarzen Messfeiern gleich Kartoffelchips, die den Körper süchtig machen (wegen dem Natriumglutamat) und bedienen sich des unlauteren Wettbewerbs gegenüber der christlichen Kirche, weil die Satansjünger dann einfach nicht mehr aufhören können, sich beim Abendmahl Nachschlag zu holen und sich ein zweites und drittes Mal anzustellen beim Chipspackerl. Oder sie fallen halt über eine Pizza Diavolo her.

Galerie Mario Mauroner: Feuerzeug aus der Hölle

Was Fabrizio Plessi aufführt, ist möglicherweise noch schlimmer als diese ganzen Horrorfantasien zusammengenommen. Denn er arbeitet mit dem Höllenfeuer. Mein Gott! Der wird doch nicht etwa tatsächlich einen Pizzaofen (für die Pizza Diavolo) betreiben, angefacht von echten Flammen aus der Hölle, die mühsam bei einem Staffellauf bis zum Ofen weitergereicht worden sind (als Affront gegen das olympische Feuer oder das Friedenslicht)? Nicht ganz. Er beheizt damit barocke Beichtstühle.
Gut, da drin lodert nicht das Originalinferno, sondern eine Videoaufzeichnung davon (oder vom minder endgültigen Purgatorium). Oder eigentlich sieht man bloß irgendein Feuer durch die Fenster. Gibt es also keine Absolution für den zerknirschten Pönitenten? Sondern nur die Qualen der Verdammten?

Die Satanisten haben ja so einen Tick: Sie müssen jedes Kreuz auf den Kopf stellen. Und wenn das Kreuz oben auf einem Beichtstuhl drauf ist? Dann drehen sie eben den um. Wie eine „schwarze Beichte“ abläuft, will ich mir gar nicht vorstellen. Ob man da die Formel spricht: „Vater, vergib mir, denn ich habe nicht gesündigt“? Und dann bekennt man seine unterlassenen Sünden und die Tugenden, die man sich hat zuschulden kommen lassen, und wird dann verdonnert zu mindestens zwei Todsünden und wenigstens einmal Falschparken?

Plessi könnte aber genauso gut schlicht ein Apokalyptiker sein (und reinen Glaubens). Ein Warner vor der Endzeit. Immerhin drehen sich die drei baumelnden Beichtstühle, die nicht unbedingt anzüglich sein müssen, im Uhrzeigersinn wie die knapper werdende Zeit bis zum Jüngsten Tag. Bis zur Abrechnung.

Weil Wien und Wein beim Heurigen heiraten

Plessis einprägsame, mitunter sehr plakative Objekte sind voll wuchtigem, schwerem Pathos. Bei den Beichtstühlen passt das ja gut. Bei den Stapeln aus massigen, drückenden Steinplatten ist’s mir schon ein bisserl zu viel, wenn in der obersten Platte das hehre Wort „Art“ herausgehauen ist und darunter wieder die obligaten Videoflammen flackern. Ohne Feuer keine Kunst? Jedenfalls keine Kultur, keine Esskultur, keine Porzellanteller.

Eine andre gravitätische Platte (wie eine Steintür oder eine Grabplatte) verkündet: „Traum.“ Und wieder wabert die Lohe, lodert feurig im Fels. Das Unbewusste. Banal wird’s in der Serie von Zeichnungen, wo Plessi draufkommt, dass Traum und Freud, welch Zufall, gleich viele Buchstaben besitzen. Freud und Traum, die gehören ja in der Tat zusammen (weil der biblische Joseph sich die Traumdeutung nicht hat patentieren lassen, nachdem er die sieben fetten und die sieben mageren Jahre aus der prophetischen nächtlichen Hirntätigkeit des Pharaos herausgezutzelt hat). Na ja, es könnte ärger sein. Plessi hätte zur Erkenntnis gelangen können, dass „Wien“ und „Wein“ genau gleich lang sind, deren Ehe bekanntlich beim Heurigen vollzogen wird.
Zu Plessis Ehrenrettung: Der Turm aus schäbigen Koffern (zum Gedenken an die zivilen Opfer in Sarajewo) haut einen wieder um mit seiner markanten Schlichtheit. Diese Koffer haben nicht die unbeschwerte Aura von Urlaubsgepäck, sondern die erschütternde von „Koffern auf der Flucht“, in die das Heimweh und die Existenzangst miteingepackt worden sind. Noch dazu stapeln sie sich auf einem Monitor, wo durchleuchtete Gepäckstücke auf einem Flughafenförderband vorbeiziehen. Die fabriksmäßige Verletzung der Privatsphäre.

Galerie Chobot: Ein Sattel für die Domina

Beim Helmut Newton (1920 bis 2004), da haben halt die Frauen die Potenz. Da stöckeln die Dessous- und Lack-Amazonen trittsicher herum, ohne Gnade für den schwachen Mann. Und sogar nackt sind sie Dominas: brutal sexy. In der Galerie Chobot, die derzeit seinen signierten Fotos geweiht ist, wird freilich ein weißer Fleck an der Wand plötzlich zur Hauptattraktion. Hat das Charisma einer Ikone. Und tunkt fast die ganze Aufmerksamkeit im Raum auf wie ein Stück Weißbrot die letzten Soßenreste auf dem Teller. Da hing das inzwischen verkaufte Bild von der Einladungskarte: Eine unnachahmlich „dominant unterwürfige“ Maid im Reiterdress auf allen Vieren im Bett, gesattelt. Die hat also einen herausfordernd leeren Sitzplatz auf dem Rücken. Für den Cowboy, den sie wohl abwerfen wird wie beim Rodeo. (Sie hat so einen „feministischen“ Blick.)
Ein wenig über den Verlust hinweg tröstet mich das Mädel in Latexrüstung, das mitleidlos ein Schweinderl auf dem Grill brutzelt, der das eigentliche Objekt der Begierde (nämlich des Konsumenten) sein soll.

Galerien

Galerie Mario Mauroner

(Weihburggasse 26)

Fabrizio Plessi. Digital Stones.

Bis 5. November

Di. bis Fr. 11 Uhr bis 19 Uhr

Sa. 11 Uhr bis 16 Uhr

Galerie Chobot

(Domgasse 6)

Helmut Newton. Fotos signiert 1976–1978.

Bis 29. Oktober

Di. bis Fr. 13 Uhr bis 18 Uhr

Sa. 11 Uhr bis 16 Uhr

Freitag, 07. Oktober 2005


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