Was fällt denen wohl als nächstes ein, den Satanisten, diesen
Perverslingen? Lassen sie bald ihre Quietsch-Entchen eine Runde im
Taufbecken vom Stephansdom drehen, diese Irregeleiteten, und treiben dafür
auch noch importiertes Originalwasser aus dem Jordan auf (oder von der
Konkurrenz, vom Ganges)? Oder spielen sie mit dem schadenfrohen Gedanken,
ihren Piranha im Weihwasserbecken freizulassen, diese Saboteure des
Katholizismus, und bringen dann ein scheinheiliges Warnschild an:
„Bekreuzigen auf eigene Gefahr“ oder: „Kein Trinkwasser“? Weil Satanismus
einfach eine Verhaltensstörung ist?
Natürlich könnten sie ebenso Hostien mithilfe von diesseitigen, nämlich
kariesverursachenden Kokosbusserln schänden oder mithilfe anderer
Geschmacksverstärker, die sie draufsetzen auf die entsagungsvolle Oblate.
Oder sie verteilen bei ihren schwarzen Messfeiern gleich Kartoffelchips,
die den Körper süchtig machen (wegen dem Natriumglutamat) und bedienen
sich des unlauteren Wettbewerbs gegenüber der christlichen Kirche, weil
die Satansjünger dann einfach nicht mehr aufhören können, sich beim
Abendmahl Nachschlag zu holen und sich ein zweites und drittes Mal
anzustellen beim Chipspackerl. Oder sie fallen halt über eine Pizza
Diavolo her.
Galerie Mario Mauroner: Feuerzeug aus der Hölle
Was Fabrizio Plessi aufführt, ist möglicherweise noch schlimmer als
diese ganzen Horrorfantasien zusammengenommen. Denn er arbeitet mit dem
Höllenfeuer. Mein Gott! Der wird doch nicht etwa tatsächlich einen
Pizzaofen (für die Pizza Diavolo) betreiben, angefacht von echten Flammen
aus der Hölle, die mühsam bei einem Staffellauf bis zum Ofen
weitergereicht worden sind (als Affront gegen das olympische Feuer oder
das Friedenslicht)? Nicht ganz. Er beheizt damit barocke Beichtstühle.
Gut, da drin lodert nicht das Originalinferno, sondern eine
Videoaufzeichnung davon (oder vom minder endgültigen Purgatorium). Oder
eigentlich sieht man bloß irgendein Feuer durch die Fenster. Gibt es also
keine Absolution für den zerknirschten Pönitenten? Sondern nur die Qualen
der Verdammten?
Die Satanisten haben ja so einen Tick: Sie müssen jedes Kreuz auf den
Kopf stellen. Und wenn das Kreuz oben auf einem Beichtstuhl drauf ist?
Dann drehen sie eben den um. Wie eine „schwarze Beichte“ abläuft, will ich
mir gar nicht vorstellen. Ob man da die Formel spricht: „Vater, vergib
mir, denn ich habe nicht gesündigt“? Und dann bekennt man seine
unterlassenen Sünden und die Tugenden, die man sich hat zuschulden kommen
lassen, und wird dann verdonnert zu mindestens zwei Todsünden und
wenigstens einmal Falschparken?
Plessi könnte aber genauso gut schlicht ein Apokalyptiker sein (und
reinen Glaubens). Ein Warner vor der Endzeit. Immerhin drehen sich die
drei baumelnden Beichtstühle, die nicht unbedingt anzüglich sein müssen,
im Uhrzeigersinn wie die knapper werdende Zeit bis zum Jüngsten Tag. Bis
zur Abrechnung.
Weil Wien und Wein beim Heurigen heiraten
Plessis einprägsame, mitunter sehr plakative Objekte sind voll
wuchtigem, schwerem Pathos. Bei den Beichtstühlen passt das ja gut. Bei
den Stapeln aus massigen, drückenden Steinplatten ist’s mir schon ein
bisserl zu viel, wenn in der obersten Platte das hehre Wort „Art“
herausgehauen ist und darunter wieder die obligaten Videoflammen flackern.
Ohne Feuer keine Kunst? Jedenfalls keine Kultur, keine Esskultur, keine
Porzellanteller.
Eine andre gravitätische Platte (wie eine Steintür oder eine
Grabplatte) verkündet: „Traum.“ Und wieder wabert die Lohe, lodert feurig
im Fels. Das Unbewusste. Banal wird’s in der Serie von Zeichnungen, wo
Plessi draufkommt, dass Traum und Freud, welch Zufall, gleich viele
Buchstaben besitzen. Freud und Traum, die gehören ja in der Tat zusammen
(weil der biblische Joseph sich die Traumdeutung nicht hat patentieren
lassen, nachdem er die sieben fetten und die sieben mageren Jahre aus der
prophetischen nächtlichen Hirntätigkeit des Pharaos herausgezutzelt hat).
Na ja, es könnte ärger sein. Plessi hätte zur Erkenntnis gelangen können,
dass „Wien“ und „Wein“ genau gleich lang sind, deren Ehe bekanntlich beim
Heurigen vollzogen wird.
Zu Plessis Ehrenrettung: Der Turm aus
schäbigen Koffern (zum Gedenken an die zivilen Opfer in Sarajewo) haut
einen wieder um mit seiner markanten Schlichtheit. Diese Koffer haben
nicht die unbeschwerte Aura von Urlaubsgepäck, sondern die erschütternde
von „Koffern auf der Flucht“, in die das Heimweh und die Existenzangst
miteingepackt worden sind. Noch dazu stapeln sie sich auf einem Monitor,
wo durchleuchtete Gepäckstücke auf einem Flughafenförderband vorbeiziehen.
Die fabriksmäßige Verletzung der Privatsphäre.
Galerie Chobot: Ein Sattel für die Domina
Beim Helmut Newton (1920 bis 2004), da haben halt die Frauen die
Potenz. Da stöckeln die Dessous- und Lack-Amazonen trittsicher herum, ohne
Gnade für den schwachen Mann. Und sogar nackt sind sie Dominas: brutal
sexy. In der Galerie Chobot, die derzeit seinen signierten Fotos geweiht
ist, wird freilich ein weißer Fleck an der Wand plötzlich zur
Hauptattraktion. Hat das Charisma einer Ikone. Und tunkt fast die ganze
Aufmerksamkeit im Raum auf wie ein Stück Weißbrot die letzten Soßenreste
auf dem Teller. Da hing das inzwischen verkaufte Bild von der
Einladungskarte: Eine unnachahmlich „dominant unterwürfige“ Maid im
Reiterdress auf allen Vieren im Bett, gesattelt. Die hat also einen
herausfordernd leeren Sitzplatz auf dem Rücken. Für den Cowboy, den sie
wohl abwerfen wird wie beim Rodeo. (Sie hat so einen „feministischen“
Blick.)
Ein wenig über den Verlust hinweg tröstet mich das Mädel in
Latexrüstung, das mitleidlos ein Schweinderl auf dem Grill brutzelt, der
das eigentliche Objekt der Begierde (nämlich des Konsumenten) sein soll.
Galerien
Galerie Mario Mauroner
(Weihburggasse 26)
Fabrizio Plessi. Digital Stones.
Bis 5. November
Di. bis Fr. 11 Uhr bis 19 Uhr
Sa. 11 Uhr bis 16 Uhr
Galerie Chobot
(Domgasse 6)
Helmut Newton. Fotos signiert 1976–1978.
Bis 29. Oktober
Di. bis Fr. 13 Uhr bis 18 Uhr
Sa. 11 Uhr bis 16 Uhr
Freitag, 07. Oktober
2005