Das Mordopfer mitverhaftet
Von Claudia Aigner
Hasch mich, ich bin der Herr Inspektor! Arsène Lupin hinter
Gittern: Das wird wohl nicht einmal den Meisterkriminellen selbst
sonderlich wundern. (Wer schon für sich allein eine Beschäftigungstherapie
für mindestens zehn Polizisten ist, muss ja damit rechnen, einmal
geschnappt zu werden.) Aber Herr Maigret (Vorname: Kommissar) als
Häfnbruder? Es ist ja nicht anzunehmen, dass "der Gute" seinen
Solidarbeitrag leistet und halt auch ein paar Jahre absitzt. Noch dazu hat
hier jemand auch gleich alle Verdächtigen, alle Zeugen, das Mordopfer und
alle andern, die auch nur irgendwie in die Nähe eines Verbrechens gekommen
sind, "einkassiert". Nicht, weil so die Wahrscheinlichkeit größer ist,
dass der Mörder auch wirklich darunter ist, sondern einfach weil alle in
jenen Büchern stehen, für die Ingrid Cerny ein Gefängnis gebaut hat.
Was die Objekte von Ingrid Cerny (bis 27. September bei Tiller &
Ernst, Grünangergasse 6) so unwiderstehlich macht, ist zweifellos die
unüberbietbare Präzision (abgesehen davon, dass es natürlich witzig ist,
nicht die Täter, sondern die Krimis in Gefängniszellen zu stecken).
Spätestens, wenn man vor den aufwendig zusammengebastelten abstrakten
Arbeiten aus Zeitungspapier, Zahnstochern und anderen "unfeinen"
Materialien steht, ist man von der fast schon fanatischen Ordnungsliebe
und Gewissenhaftigkeit überwältigt. (Mir wäre wohler, wenn wenigstens die
Cerny Temelin gebaut hätte.) Nicht weniger lustvoll: die reichhaltigen
Radierungen von Henriette Leinfellner, die so etwas sind wie Landkarten,
um sich leichter zu verlaufen, oder Orientierungshilfen für die totale
Orientierungslosigkeit. Raffiniert bringt sich Leinfellner in authentische
Navigationskarten ein und benimmt sich dabei wie die Praxis der Theorie
gegenüber. Die wirklich benutzte Landmasse ist eben was anderes als eine
Straßenkarte. Eine etwas sperrige Brosche aus Papiermaschee steuert Georg
Dobler zur Schau "Mit/auf/aus/Papier" bei. Wie lange kann das Ding wohl
überleben (materialbedingt)? Galeristin Ernst: "Zu dem hab i eigentlich a
irrsinniges Vertrauen." Roman Scheidl ist unleugbar ein Maler. Wer
also quasi schon seine Winterschlaftablette eingenommen hat, aber sich
trotzdem bis 30. September in die Galerie Contact (Singerstraße 17)
schleppt, wird schlagartig munter. Vielleicht liegt es an der
stimulierenden Wechseldusche: absolute Buntheit da und Schwarzweiß dort.
Scheidl malt die Rhythmen der ungezügelten Natur (einen Wasserfall) und
ist daneben zu einem "apathischen" Baum fähig. Oder er wird in
"Dallas"- oder "Dynasty"-Manier mit Bildern fertig, die ihm plötzlich
nicht mehr gefallen, nachdem es eigentlich schon zu spät ist (weil sie eh
schon ausgestellt worden sind): Er übermalt sie. Aber nicht total. Also
doch nicht ganz wie bei "Dallas" oder "Dynasty", wo die Leute dann und
wann einen schrecklichen Unfall haben, bei dem ihr Gesicht einen
Totalschaden davonträgt, und ein paar Folgen später kommen sie "plastisch
chirurgiert" und mit einer komplett anderen Physiognomie wieder. Von Goyas
"Der Koloss" inspiriert: "Große essen Kleine." Die Ölmultis und
Benzolbosse würgen die kleinen Autofahrer hinunter? Bill Gates alias
"Mister Alt. + Ctrl. + Del." fällt über die Bits der Konkurrenz her?
Erschienen am: 22.09.2000 |
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