diepresse.com
zurück | drucken

13.06.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
Goldene Löwen: Casino-Poesie und sehr, sehr Körperliches
Annette Messager gewann für Frankreich, die beste Nachwuchskünstlerin kommt aus Guatemala.

Wir haben es geahnt. Kein Goldener Löwe bei der Biennale Venedig für Hans Schabus großartige Alpenfestung. Wir waren wohl zu gut für den offiziellen Preis. Den inoffiziellen, gemessen an Gesprächsstoff und am Lob der Konkurrenz, hat Österreich sehr wohl gewonnen. Der Jury aber gefiel Annette Messagers eskapistische Installation "Casino" im französischen Pavillon besser. In den ersten Raum häufte sie nett gestreifte Nackenstützen gespickt mit schwarzen Händen und Spinnen zur Polster-Grottenbahn auf, durch die sich ein träumender Pinocchio ziehen lässt. Dann darf man ein wogendes rotes Seidenmeer bestaunen, aus dem kleine schwarze Geister steigen - und zuletzt werden böse fragmentierte Stofftiere von einem pneumatisch angetriebenen Trampolin knallend in die Luft geschleudert. Alles sehr poetisch, nur anecken will hier gar nichts, wie viele vermuten wohl genau der Grund für die Jury-Entscheidung. Sonst hätte bei der letzten Biennale auch Richard Sierras hochpolitischer Beitrag gewinnen müssen, der den spanischen Pavillon nur für spanische Staatsbürger zugänglich machte. Über den Hintereingang.

Sehr wohl provokant arbeitet Regina José Galindo aus Guatemala, die den Goldenen Löwen für die beste Nachwuchskünstlerin (unter 35) zugesprochen bekam. Ihre zwei gesellschaftskritischen Videos - zu sehen in der Arsenale-Ausstellung "Always a little further" - zeigen sie sowohl bei einer puristisch zelebrierten Totalrasur ihres Körpers und dem anschließenden Stadtspaziergang wie auch in schonungsloser Großaufnahme bei einer Operation zur Wiederherstellung ihres Jungfernhäutchens. Galindos aktionistischer Widerstand und ihr Aufdecken von gesellschaftlichen Zwängen zählte zu den schärfsten politischen Positionen dieser ansonsten in blasser Nettigkeit verharrenden diesjährigen Biennale, bei der vor allem die Länderbeiträge enttäuschen. Kein besonders einprägsamer Jahrgang.

Ähnlich blass und im Formalen gefangen zeigen sich auch die traditionellen Skulpturen des 1954 geborenen deutschen Bildhauers Thomas Schütte, der heuer als "bester Künstler" ausgezeichnet wurde. Pralle Frauenakte aus Stahl und Bronze sollen unterschiedliche kunsthistorische Stile mischen und neu zur Diskussion stellen. sp

© diepresse.com | Wien