Quer durch Galerien
Feuer schlucken nach Edison
Von Claudia Aigner
Da hat sich wohl jemand für seine nächste Wiedergeburt
"zurechtgemacht" (unfreiwillig). Soll heißen: Er sieht jetzt womöglich
genauso aus wie seine glücklose Luftmatratze. Und die ist mausetot,
nämlich zerfetzt bis zur totalen Seeuntüchtigkeit. Vielleicht weil Haie
keinen Badespaß verstehen. Oder weil das Leben zu den Sterblichen brutal
und gemein ist und weil es bei unsachgemäßer Behandlung (etwa in
haifischverseuchten Gewässern zu plantschen) auf Luftmatratzen und andere
sterbliche Hüllen keine Garantie gibt. Wie auch immer: Die Person, die mit
ihrer Luftmatratze in See gestochen ist und von der nur Teile ihrer
Luftmatratze übrig geblieben sind, muss ein schlechtes Karma gehabt haben.
Bezeichnenderweise heißt Martin Gostners Schau in der Galerie Senn
(Schleifmühlgasse 1a, bis 2. August) "Karma again". So heißt auch die
ausgestopfte Damenjeanhose, die sich demütig auf ein Knie niedergelassen
hat. Eine Unterwerfungsgeste, die beim Schicksal eine "Beißhemmung"
auslösen soll? Übrigens: Wenn die oben erwähnte und garantiert nicht
wiederzubelebende Luftmatratze, die vor den Gewalten der Natur (oder eher
vor Martin Gostners Gewalten) bedingungslos kapituliert hat, nicht schon
einen Titel hätte ("zu breit, zu weit"), dann hieße sie wahrscheinlich
"Die gescheiterte Hoffnung" - wie Caspar David Friedrichs
Seefahrertragödienbild, wo sich kühne Abenteurer mit dem Polarmeer
angelegt haben und ihnen das Packeis eine Lektion erteilt hat.
Zugegeben: Gostners Luftmatratze, ein Denkmal des Scheiterns, hat
nicht so eine imposante "Heldentod"-Kulisse wie das erbärmlich kleine
Schiff im übermächtigen Eismeer, das von den triumphierend sich
aufbäumenden Eisschollen wie eine Nussschale geknackt wird und . . .
Momenterl. Hat der Luftmatratzennavigator, der sich irgendwo im Out
befindet, überhaupt die Grundvoraussetzung für eine ordnungsgemäße
Reinkarnation erfüllt, also wenigstens das Zeitliche gesegnet? Die Lacke,
auf der die Überreste der Matratze schwimmen, ist schließlich gelb und
nicht blutrot. Das irritiert ein wenig. Könnte aber natürlich ein
Euphemismus sein. Wie in der Damenhygienewerbung, wenn die Vorführdame zur
Veranschaulichung der Saugstärke des Produkts demonstrativ ein blassblaues
"Aquarell" auf das saubere und diskrete Weiß malt, indem sie angeberisch
einen Becher auf den Wattelappen schüttet. Und der staunende Zuschauer
denkt beeindruckt: "Jö, die Babywindeltechnologie funktioniert jo a bei
die Frau'n." Eigentlich tragikomisch (oder nur komisch - je nach Humor
und religiöser Einstellung): das Opus "Zuzler". Eine Lampe, deren
Glühbirnen jemand . . . äh . . .: oral in Besitz genommen hat, bis das
Glas zerbrochen ist. Die Birnen ähneln jetzt völlig ausgelaugten
Luftballons (weil sie, eventuell wegen der Verletzungsgefahr, vorher mit
Silikon überzogen worden sind). Der verzweifelte Versuch eines von seinem
Karma Gequälten, doch noch Erleuchtung zu erlangen, sie quasi direkt aus
der Lampe zu saugen, um endlich ins Nirwana eingehen zu dürfen? Möglich.
Aber selbst wenn's bloß das Demonstrationsobjekt eines "Feuerschluckers im
Zeitalter der Glühbirne" sein sollte, der gewissermaßen an Thomas Alva
Edisons Zitzen hängt (in diesem Fall Ein-Weg-Zitzen), wär's auch kein
Malheur. Und für die Zeit nach dem Samsara hat Gostner noch einen
letzten Karrierewunsch: "Nach meinem Tod möchte ich gern ein Vogelparadies
sein." Konkret: eine Vogeltränke. Alles in allem sehr konzentrierte
Arbeiten übers Leben vor und nach dem Tod, die dem Auge meist Vergnügen
und dem Hirn Nachdenken bereiten.
Erschienen am: 18.07.2003 |
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