Kreolisierung & Kampf der Kulturen

"Die Beziehungen untereinander gehen hauptsächlich in Brüchen und Rissen vor sich. Vielleicht sind sie sogar fraktaler Natur. Daher ist unsere Welt eine Chaos-Welt. Ihre allgemeine Ökonomie und ihr Antrieb sind die der Kreolisierung", so Édouard Glissant.


Stehen wir im 21. Jahrhundert vor einem "Kampf der Kulturen"? Sind kulturelle Differenzen bereits im Einheitsbrei der "McDonaldisierung der Welt" untergegangen? Oder durchlaufen wir den Prozess einer "Kreolisierung", bei dem durch die Fusion zweier oder mehrerer Kulturen etwas Neues entsteht?

"Die ganze Welt kreolisiert sich", behauptet Édouard Glissant, Schriftsteller der französischen Karibikinsel Martinique. "Die Kreolisierung schafft etwas Neues, das unerhört ist". Mit seiner Schrift "Zersplitterte Welten. Der Diskurs der Antillen" begründete der intellektuelle Vordenker zu Fragen postkolonialer Identität bereits 1981 eine neue Ästhetik der Kulturenvielfalt.

"Kreolisierung der Welt"

An der "Kreolisierung der Welt" hält Édouard Glissant bis heute fest, wobei es ihm weder um die Akzeptanz der kulturellen Unterschiede noch um kulturelle Dominanz geht, sondern um einen andauernden Prozess, der in der Lage ist, Identisches und Unterschiedliches zu produzieren: "Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass unsere Identität sich im Kontakt mit dem anderen verändern wird", meint Glissant.

Begriff der Kreolität

"Éloge de la créolité" nannten drei Autoren aus Martinique wenige Jahre später ihren Text, in dessen Zentrum nicht die Kreolisierung, sondern der Begriff der Kreolität steht. Jean Bernabé, Patrick Chamoiseau und Raphaël Confiant wollten damit die "kaleidoskopische Totalität", das "nichttotalitäre Bewusstsein einer beibehaltenen Diversität" der Karibik definieren.

"Kreolisierung muss man als eine konstante Verhandlung von Konflikten sehen" meint Françoise Vergès, Lehrbeauftragte für koloniale und postkoloniale Studien. "Diese Konflikte wurden nicht nur in der Karibik, sondern auch auf meiner Insel, Réunion, dadurch hervorgerufen, dass man Menschen aus unterschiedlichen Gegenden der Erde gewaltsam auf eine Insel deportierte. Es gab keine Möglichkeit des Entkommens, der Flucht, man musste sich diesen einen Raum teilen. Auf diese Weise lernte man, politisch miteinander zu verhandeln."

Verlagerung in urbanen Raum

Nach der Abschaffung der Sklaverei und mit der Abwanderung der Sklaven von den Plantagen in Richtung Stadt verlagerte sich auch der Schauplatz der Kreolität in den urbanen Raum. Gerade in den vergangenen Jahren hat die zunehmende, weltweit stattfindende Urbanisierung von Regionen gezeigt, dass neue Typografien entstanden sind, dass auch die heutigen Städte Schauplatz der Kreolisierung sind.

Tipp:

"Zersplitterte Welten", Radiokolleg,Österreich 1, 10. bis 13. Juni, jeweils 9.30 Uhr.

Radio &sterreich 1