In "Tears of the eyewitness" (2009) inszeniert Sven Johne eine Situation vor einer TV-History-Show: Die Gemachtheit von Geschichte ist allerdings für den Künstler nicht Fiktion, sondern Fakt.
"Kleistners Archiv" versammelt Arbeiten des Künstlers zur deutschen Geschichte und deren Konstruktion.
Wien - Die Kreidefelsen auf Rügen: von Caspar David Friedrich gemalt, wurden sie zum Inbegriff der Romantik. Der berühmteste von ihnen, der Wissower Klinken, wurde in einer Februarnacht 2005 tatsächlich Geschichte. "50.000 Kubikmeter brachen einfach weg", erzählt Sven Johne, der 1976 auf der Ostseeinsel geboren wurde. Dem aus touristischer Perspektive dramatischen Verlust fügte der Künstler in seinem, nach der abgestürzten Kreideformation benannten Video, noch ein wenig Tragik hinzu: Ein Fremdenführer stand just zu jenem Zeitpunkt dort, wo er seinen musikalischen Spaziergang stets mit dem Lied Am Brunnen vor dem Tore aus Schuberts Winterreise enden ließ. Er wurde erschlagen.
Im Video dringt die Erzählung, die einzig mit Bildern und Gesang eines Männerchors unterlegt ist, unaufdringlich aus dem Off. Man möchte sie für abwegig halten, allerdings hält die Wirklichkeit täglich ähnliche Geschichten bereit: Folgt man den kleinen, absonderlichen Meldungen in Lokalzeitungen, so Johne, treffe man häufig auf richtige Minidramen. Die kleinen (oder wie in diesem Fall auch großen) Schnipsel aus dem Lokalteil sind für den Künstler oft Anstoß für Arbeiten. Aber so wie die Zeitungsmeldungen nur Bruchteile des Ganzen sind, so ist auch die Handlung seiner Videoarbeiten oder das Motiv seiner Fotos nur der Ausgangspunkt für weitreichende Überlegungen - etwa zur deutschen Geschichte. Letztere hat der Kunstverein weisses haus für die Ausstellung Kleistners Archiv ausgewählt.
Seine derart montierten Geschichten vergleicht Johne jedoch eher mit einem naturalistischen Roman: "Ich schreibe aus der wirklichen Welt, aber ich destilliere aus den Fakten etwas anderes." Die Fakten sind etwa die, dass es den Touristenführer und ehemaligen Grenzer (so wie Johnes Vater) tatsächlich gibt. Ein Wende-Gewinner, der seine gute Kenntnis dieser Grenzgegend in bare Münze umwandeln konnte. Johne nennt es augenzwinkernd "Boshaftigkeit", dass er diesen "reflexionsresistenten Typen" auf diese Art ausschaltete. Eine Konstruktion bei der jedoch das von so manchem Wanderer gesummte Am Brunnen vor dem Tore mithalf: Schließlich ist es, achtet man auf den Text, das Lied eines potentiellen Selbstmörders.
Perspektive auf Geschichte
Die Beschäftigung mit der DDR-Väter-Generation, der Frage persönlicher und kollektiver Schuld, sei an der Leipziger Kunsthochschule für viele extrem wichtig gewesen. Als einer ihrer Absolventen bietet Johne dem Betrachter facettenreiche Reflexionsgrundlagen; in seine Narrative fühlt man sich schnell ein, sie ersparen aber das Nachdenken nicht, sondern regen Interpretationen an. Und sie säen Zweifel. Mit Sven Johne, 2010 etwa mit Einzelschauen im Frankfurter Kunstverein und dem Sprengel Museum Hannover vertreten, hat das weisse haus einen Künstler, der ebenso ernsthaft wie spielerisch und subtil arbeitet, in Wien vorgestellt. Eine weitere Arbeit Johnes zeigt der Kunstraum Niederösterreich (bis 23. 7.).
Auch ein anderer Film aus der Schau, Tears of the Eyewitness, beweist Johnes Vielschichtigkeit: Er beschreibt eine Situation unmittelbar vor Beginn einer History-Show, für die amerikanische Fernsehformate Pate gestanden sind. Thema der Show: die Ereignisse rund um den Mauerfall 1989.
Johne, der die Wende als das einschneidendste Erlebnis seines Lebens beschreibt, ging es in dieser Arbeit um die westliche Perspektive, die auf die Ereignisse in Leipzig geworfen wird: "In der offiziellen Geschichtsschreibung wird es als Aufbäumen des Volks gegen die Oberen, als gemeinsamer Kampf für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte dargestellt. Das ist aber ein Zerrbild."
Der Masse sei es jedoch um Reisefreiheit und Konsum gegangen. Die intellektuelle Elite der Wenderevolution habe etwas anderes im Sinn gehabt. Rückblickend bedauern die Bürgerrechtler wie alles ablief, denn nach dem 9. November war die Luft heraus. Es ging zu schnell, als dass man noch über Alternativen zu den "blühenden Landschaften" Helmut Kohls und den "Anschluss" nachdenken konnte. Am Ende des Films, in dem der Augenzeuge auf die "wahren Ereignisse" eingeschworen wird, weint dieser. "Im Grunde wird er, der Bürgerrechtler oder Demonstrant war, nochmals gefoltert - und zwar von der westlichen Perspektive". Das ekele einen an; zugleich ist man wegen der historischen Fakten aber auch ergriffen: "Das ist das gemeine am Film." Der wirft die verunsichernde Frage auf, wer Geschichte schreibt? Ist es der, der am plausibelsten erzählt? Ist das die Macht des Historikers? Johne hinterfragt Bildwirklichkeiten und prangert Geschichtsklitterung an. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD - Printausgabe, 5. Juli 2011)
Bis 16. 7.
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