Quer durch Galerien
Luzifer & seine Hell's Angels
Von Claudia Aigner
Was machen g'rupfte, sprich ihrer Flügel beraubte und noch
dazu splitterfasernackte (also windschlüpfige) Engel in unserer
Erdatmosphäre? Sie fallen aus allen Wolken. Man hat ihnen ja quasi den
Aufwind unter der Anatomie weggezogen, wie man jemandem brutal das Brot
unter dem Wurstblattl wegzieht. Das nennt man Engelssturz. So etwas
ist bekanntlich dem Luzifer und seinen Anhängern passiert, die dann alle
der Schwerkraft entgegengeplumpst sind. Ungebremst. Der Fallschirm war ja
noch nicht erfunden (am sechsten Tag der Schöpfungsgeschichte, an dem nach
apokrypher Zeitrechnung der erste Rebell der Weltgeschichte aus dem Himmel
geworfen wurde). Und weil es den Fotoapparat damals auch noch nicht
gegeben hat, können die Fotos von den einprägsam männlichen "Flugkörpern"
(bis 23. November in der Galerie Charim, Dorotheergasse 12) nicht ganz
authentisch sein. Geben da womöglich die allerersten gefallenen Engel
6.174 Jahre danach ein Dakapo (Jahreszahl ohne Gewähr)? Oder ist das schon
eine Vorschau auf das endzeitliche Ausmisten des Luftraums, auch wenn der
Erzengel Michael nirgends seine Lanze in einen diabolischen Solarplexus
oder wenigstens brachialchirurgisch in eine Leber hineinrammt? Oder sieht
man hier eine wagemutige Stuntman-Truppe - nennen wir sie "Luzifer und
seine Hell's Angels" - beim todesverachtenden Sprung aus der Stratosphäre?
Wahrscheinlich nicht. Man hat nämlich den Verdacht, dass jene Körperteile,
die außerhalb vom Bild liegen, ja eh angeschnallt sind. Die verdammt gut
gemachten Fotos von Brigitte Mayer haben mich "trotzdem" tief beeindruckt.
Menschen "aus Bodenhaltung" gibt es auch. Konvulsivisch verrenktes
Menschenfleisch. Das muss die Hölle sein (der weltgrößte Anbieter von
Gottlosigkeit und Strafvollzug). In der werden die Verdammten auch einen
Chiropraktiker nötig haben, der bei ihnen nachher alles wieder einrenkt.
Man muss nicht mit einem Lorbeerkranz auf dem Kopf herumlaufen, um im
Mezzanin (Karl-Schweighofer-Gasse 12) nicht vom Blitz getroffen zu werden.
Der imposante Blitz, den man dort antrifft, ist nämlich schon domestiziert
und man kann den Lorbeer (ein uraltes Hausmittel gegen Blitzschlag)
getrost daheim in der Suppe lassen. Der Blitz ist zwar nicht aus einem
Gewitter gekidnappt worden, hängt aber wie eine Trophäe an der Wand. In
Neonröhren "gefangen". Stimmungsvoll. In seinen Malereien in Neonfarben
zeigt Lori Hersberger dann (bis 23. November) sein Können als Abstrakter.
Zum Beispiel neun kleine Bilder farblich geschickt zu einem Ensemble
verweben zu können. Und verglichen mit seinen dereinstigen Heuballen, wo
man fast automatisch den Potenzlackl dazuhalluziniert, der im Heu zünftig
seine Gene verspritzt, schneidet er sich für sein Tränendrüsenmanifest
"Frozen Teardrop Manifesto" seine sensible Ader auf. Das Bild sieht
tatsächlich ganz verweint aus. Perfekt verschwommen: Heidrun Widmoser
(bis 2. Dezember im artLab, Dorotheergasse 12) malt, mit einem
impressionistischen Gefühl für Licht, extrem unscharfe Fotos ab. Eine Form
von Fotorealismus. Als kurzsichtiger Mensch fühl ich mich hier verstanden.
Erschienen am: 15.11.2002 |
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