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Das Sehen neu sehen: Schillings Sehmaschinen im MAK

24.04.2007 | 14:39 |  (DiePresse.com)

Das Museum für Angewandte Kunst setzt seine Reihe "Künstler im Fokus" mit Werken von Alfons Schilling fort. Die Apparaturen des "Grenzgängers zwischen Wissenschaft und Kunst" laden zum Selbstversuch.

Im Rahmen der mit Arnulf Rainer begonnenen Reihe "Künstler im Fokus" zeigt das MAK ab heute, Dienstag, einen der originellsten Beiträge zur künstlerischen Auseinandersetzung mit Wirklichkeit und Wahrnehmung: die "Sehmaschinen" des 1934 in Basel geborenen Künstlers Alfons Schilling. Bereits 1987 war ihnen in dem Museum eine Ausstellung gewidmet, nun ermöglicht der im Vorjahr getätigte Ankauf des gesamten Werkblocks (fünf Sehmaschinen, 120 Zeichnungen und Pläne sowie eine Vielzahl an Fotografien) eine neuerliche konzentrierte Präsentation.

"Es war die erste Ausstellung, die ich in diesem Haus gemacht habe", erinnerte MAK-Direktor Peter Noever bei der heutigen Presseführung an die 20-jährige Zusammenarbeit mit dem "Grenzgänger zwischen Wissenschaft und Kunst", dessen Werk dazu geführt habe, "dass Sehen anders gesehen wird." Schilling, der als "streitbarer Geist wider das Establishment" im Umkreis des Aktionismus erstmals hervorgetreten sei und später mit Drehbildern experimentierte, habe sich mit seinem Ausloten der Bereiche von Raum, Zeit und Geschwindigkeit "eine Ausnahmestellung in jeder Hinsicht erarbeitet."

Unterhaltsames Schau-Theater

Tatsächlich erinnern die großen Gestelle seiner aus Holz, Metall, Kunststoff und Glaslinsen gebauten Sehmaschinen auf den ersten Blick an die erfinderischen Konstruktionen eines Leonardo da Vinci, laden die unterschichtlichsten Apparaturen den Besucher zum Selbstversuch ein und machen so die kleine Ausstellung zum unterhaltsamen Schau-Theater. "Leider kann man mit diesen Geräten in einer Ausstellung nicht herumgehen und sie vorführen", bedauerte Schilling, der darauf verwies, dass die Sehmaschinen "eigentlich Nebenprodukte" seiner Experimente mit dreidimensionalen Bildern gewesen seien.

"Ich habe diese Geräte dann in der freien Natur ausprobiert. Da aber viele davon die Realität umdrehen, aus einem Hügel ein Loch machen und aus einem Loch einen Hügel, wollte ich Fühler als eine Art Schutz bauen. Die Fühler sind dann aber zu hart und ziemlich schwer geworden." Mit den rund 40 Kilo schweren Apparaturen auf den Schultern merke man aber, "dass Sehen mit Bewegung und Gewicht zu tun hat, dass Sehen also nicht alleine zu sehen ist."

Raumtiefe ohne 3-D-Brillen

Zu sehen sind in der von Rüdiger Andorfer kuratierten Schau weiters eine große Anzahl von Skizzen, die Schilling 1977/78 auf einer Afrikareise angefertigt hat, Linsenraster-Fotografien, bei denen der Kipp-Effekt eingesetzt wird, Fotos und Projektunterlagen zu seinem "Video-Helm" (1973) und einem gigantischen Stereoskop, das er 1983 auf einem Spitals-Gelände am Hudson River in New York aufgebaut hat, oder seine US-Patent-Einreichung für den "Schilling-Effekt" zur Wahrnehmung von Raumtiefe ohne 3-D-Brillen.

Die Vielschichtigkeit der präsentierten Objekte veranlasste Schilling schmunzelnd zu der Bemerkung: "Mein Gott, bei mir schaut es immer so aus, als wenn fünf verschiedene Künstler ausgestellt hätten." Die anwesenden Preview-Besucher werteten dies nicht als Nachteil und widmeten sich mit Begeisterung dem Gewinnen neuer Seherfahrungen. Und bedauerten, dass im Rahmen der bis Ende September angesetzten Schau kein Lehrausgang vorgesehen ist.

Die Reihe "Künstler im Fokus" soll mit Präsentationen von Padhi Friedberger, Liam Gillick, Franz West, Vito Acconci, Ilya Kabakov, Michael Kienzer und Brigitte Kowanz fortgesetzt werden.


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