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Schnittlauch auf jeder Suppe
KUNST Wer nicht nur als Tochter eines berühmten Vaters bekannt sein will, hat viel zu tun: ein Porträt der Wiener Künstlerin Amina Handke, die unter anderem schon als DJ, Bühnenbildnerin, Sozialarbeiterin und TV-Moderatorin tätig war. THOMAS PRLIC und NICOLE SCHEYERER (E-Mail: wienzeit@falter.at)


Falter 50 Originaltext aus Falter 50/01 vom 12.12.2001

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Als Amina Handke zum Falter-Interview hetzt, hat sie einen riesigen Strauß langstielige Rosen auf dem Arm. Die Blumen sind für ihre Mutter: Am Abend hat die Schauspielerin Libgart Schwarz mit ihrer Nestroy-Collage "Gottlieb Schlicht" im Akademietheater Premiere; Tochter Amina kümmerte sich um die Ausstattung für das Stück. Außerdem sitzen der 32-Jährigen die Klatschjournalisten im Nacken: Zwei Bunte-Redakteurinnen wollen ein Statement zum Verhältnis ihres Vaters Peter Handke mit der Marlene-Dietrich-Darstellerin und Heiner-Lauterbach-Exgattin Katja Flint ? ein gefundenes Fressen für deutsche Illustrierte. Die Tochter interessiert das allerdings herzlich wenig. Gerade erst hat sie mit der "Sammlung Handke" ein Buch veröffentlicht, in dem dokumentiert wird, dass sie mehr als nur eine junge Frau mit einem berühmten Nachnamen ist.

Zumindest in Wien ist Handke keine Unbekannte; ihr Image als Szenefigur betrachtet sie jedoch eher als Missverständnis: "Das hat wahrscheinlich mit meiner Flucht nach vorne zu tun: Ich habe mich anderen extra ausgesetzt, weil ich sowieso schon ausgesetzt war. Außerdem wollte ich nicht nur mit meinem Namen, sondern auch über das, was ich mache, bekannt sein." Sich ausgesetzt hat Handke schon als DJ, Malerin, Videokünstlerin, Schauspielerin, TIV-Moderatorin, Bühnenbildnerin und Sozialarbeiterin. "Schnittlauch auf jeder Suppe" nennt sie ihre Umtriebigkeit selbstironisch.

Handke wurde 1969 in Berlin geboren. Mit drei Jahren übersiedelte die Familie nach Paris, wo Amina nach der Trennung ihrer Eltern alleine mit dem Vater aufwuchs. Die Gymnasialzeit verbrachte sie in Salzburg, 1987 kam sie zum Studium nach Wien, an einen "biografisch unbelasteten Ort". Auf der Angewandten studierte Handke Malerei in der Meisterklasse Frohner, später Visuelle Mediengestaltung bei Peter Weibel. "Ich wollte ernsthaft in der Kunst Karriere machen, aber ich konnte mich nicht wirklich mit der Malerei identifizieren, sie blieb für mich immer so ein männliches Genie-Ding, ein Konstrukt wie Fußball. Das hatte was von Wichsen an sich", erklärt Handke. Lieber war ihr immer die Musik: "Den ersten Plattenspieler, so ein Philips mit Box im Deckel, bekam ich mit sieben. Für ein Einzelkind, das viel allein war, war Musikhören natürlich super." Schon mit 18 legte sie als eine der ersten weiblichen Wiener DJs auf. "Der Othmar Bajlicz vom Chelsea hat damals behauptet, Frauen hätten keine Ahnung von Rock'n'Roll. Ein Freund hat dann mich als Gegenbeweis angeführt. Daraufhin habe ich den Sonntag bekommen, wo sowieso niemand da ist. Typisch: Wenn man als Frau mal eine Chance bekommt, dann wird die Latte gleich noch höher gelegt." Für Handke zählt beim Auflegen die Technik weniger als die Stimmung: "Amina kommt aus dem Freestyle-Feld, sie hat eine breite musikalische Ausrichtung. Eigentlich ist sie der perfekte Hochzeits-DJ", beschreibt Kollegin Electric Indigo den Stil der Easy-Listening-Expertin.

Durch ihre Eltern kam Handke früh mit dem Theater in Berührung; für den Sparverein Die Unzertrennlichen stand sie selbst auf der Bühne. "Amina spielte 1990 bei unserem ersten Stück ,Kafkas Franz' mit", erinnert sich Regisseur Kurt Palm. "Ich suchte damals Leute aus verschiedensten Ecken ohne Schauspielerfahrung, sie war für mich die freischwebende Künstlerin. An die Sache ist sie dann sehr vorurteilslos herangegangen, im besten Sinne naiv. Großartig war Amina in der Hitchcock-Adaption ,Bei Anruf ? Mord'. Peter Handke, den ich mir eigentlich als recht ernsten Menschen vorgestellt hatte, kam auch einmal in die Vorstellung und hat sehr viel gelacht." Amina Handke sind ihre Schauspielversuche heute etwas peinlich: "Erst nach Jahren habe ich mich auf Video gesehen und das schrecklich gefunden: Damals war ich sehr schüchtern und sprach viel zu leise." Für die Gruppe 80 entwarf Handke mehrere Bühnenbilder. "Theater kann sehr fad und mühsam sein; es hat aber auch einen ganz eigenen Reiz. Eigentlich ist es sehr unschick und überhaupt nicht szenig. Ich mache Bühnenbild aber nur, wenn es sich ergibt. Die meisten Regisseure, die ich kenne, nerven mich."

Als Redakteurin und Moderatorin beim Wiener Kabelsender TIV nahm Handke die Regie selbst in die Hand. In ihrer Musiksendung lieferte sie sich mit Co-Moderator Rainer Mandl Gefechte um die Redezeit. Das Moderieren war für sie "anfänglich eine Qual", später agierte sie sehr selbstbewusst vor der Kamera. Einen Bekanntheitsschub erlebte der Stadtsender durch ein Exklusivinterview, das Handke mit ihrem Vater über dessen umstrittenes Verhältnis zum Balkankrieg führte. "Es ging nicht darum, meinen Vater zu interviewen, sondern darum, ihn einfach mal reden zu lassen", meint Handke retrospektiv. Ihre Fernsehaktivitäten hat sie mittlerweile beendet. "TIV sah ich als Aneignung eines Mediums, das ja speziell in Österreich mit einer unglaublichen Autorität vertreten ist." Selfmade-TV statt ORF-Monopol: Eigentlich wollte Handke Künstlern eine Chance bieten, sich selbst darzustellen und nicht darauf angewiesen zu sein, dass das Fernsehen in die Galerien kommt; über Jugendorganisationen versuchte sie Kids für das Fernsehmachen zu gewinnen.

Obwohl aus diesen Initiativen nichts wurde, lud sie später der Verein "Back Bone ? Mobile Jugendarbeit Brigittenau" zur Mitarbeit ein. Zu der Zeit engagierte sich Handke in der Antiregierungsinitiative Volxtanz und drehte zum Beispiel die Videospotserie "Österreich rein!", die im Programm "Die Kunst der Stunde ist Widerstand" lief. Künstlerischer Aktivismus war ihr aber nicht genug: "Politische Kunst ist eine Kategorisierung wie Computerkunst, eine Form, die mit dem Inhalt nichts zu tun hat. Deswegen kam mir das Angebot von Back Bone im Frühjahr 2000 sehr recht: Ich wollte mich mit den Hauptlosern des Regierungswechsels auseinander setzen. Die ganze Zeit war von Rassismus die Rede, wo doch gerade die Kunstszene auch nicht so wahnsinnig integrativ in Bezug auf Rasse oder Gender ist. Die Sozialarbeit bot mir eine Chance, für mich zu definieren, was Rassismus überhaupt ist, und auch meinen eigenen Rassismus herauszufinden." Insgesamt ein Jahr lang arbeitete Handke vierzig Stunden die Woche als Streetworkerin in der Brigittenau mit Jugendlichen an Videoprojekten. "Ich wurde wegen meinen technischen Fähigkeiten angestellt und nicht wegen dem künstlerischen oder sonstigen Mehrwert." Bei Back Bone entstand unter anderem ein Petitionsvideo, das auf die Problematik von Jugendlichen ohne Aufenthaltsbewilligung aufmerksam machen sollte. Mit der Kamera im Park Kids ansprechen, das war nicht leicht: "Mein deutscher Akzent hat mir geholfen: Die Herkunft war ein erstes Gesprächsthema ? dass ich auch dieses Problem habe, Österreicherin zu sein und doch als Ausländerin wahrgenommen zu werden. Man braucht sehr lange, bis man eine gemeinsame Vertrauensbasis hat." Der Name Handke war den Jugendlichen kein Begriff: "Da war ich erst mal nichts."

Eine völlig neue Erfahrung für jemanden, über den bereits im Alter von zehn Jahren ein Buch veröffentlicht wurde. In der "Kindergeschichte" beschreibt Peter Handke die heranwachsende Tochter und seine Rolle als allein erziehender Vater. "Kleine Mädchen finden doch tendenziell immer super, was ihre Väter machen. Ich habe mich nur einmal darüber gewundert, dass ich einmal (in einem anderen Text, d. Red.) beschrieben wurde, es sich jedoch um einen Sohn handelte. Er hätte ja alles mögliche andere verändern können, wieso also ausgerechnet das Geschlecht? Das fand ich ein bisschen eigenartig." Nun hat Amina Handke selbst ein Buch über sich herausgebracht: "Die Sammlung Handke" ? eine Collage aus eigenen Arbeiten, Korrespondenzen und Zitaten ? stellt für die Künstlerin eine Art Resümee "zwischen totalem Egozentrismus und meiner Erzählung über andere" dar. Sammeln spielt auch sonst in Aminas Welt eine große Rolle. Handtaschen, Schuhe, Anoraks und alles andere auch, bevorzugt in der Farbe Rosa. "Das reihe ich eher unter Krankheit ein: als Konsumierzwang, Anhäufzwang. Mit der unglaublichen Überwindung, etwas wegzuwerfen, hat das Buch ja auch ein wenig zu tun. Dieses: Was macht man mit dem ganzen Kram?"

Wie ein roter Faden zieht sich die Frage nach der eigenen Identität durch ihre Beschäftigung mit den verschiedensten Medien. "Wenn man schon berühmte Eltern hat, muss man selber auch irgendwie berühmt werden, bevor einen das erdrückt. In Wirklichkeit bin ich aber furchtbar feige: Wenn ich nur eine Sache mache, kriege ich sofort Angst, so ein Gefühl, da muss ich mich jetzt beweisen, das muss jetzt alles sein." In der Öffentlichkeit stehen: einerseits selbst auferlegte Bürde, andererseits milieubedingte Normalität. "Ich bin ja mit diesem ganzen Kulturbrimborium aufgewachsen. Da war es einfach nahe liegender, so etwas zu machen, als etwa Zahnärztin zu werden." Es wird noch einige Zeit dauern, bis sie sich freigeschwommen hat: Im News-Ranking der 1000 Top-Österreicher belegte Peter Handke im Vorjahr Platz 97, Amina Rang 805. News-Begründung: "Peters Tochter".

Amina Handke: Die Sammlung Handke. Wien 2001 (Triton). 72 S., öS 210,-/EUR 14,90

Buchpräsentation am 13.12., 19 Uhr, in der Basis Wien (15., Fünfhausgasse 5).


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Dezember 2001 © FALTER
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