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derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst 
28. Oktober 2009
18:57 MEZ

Galerie Bleich-Rossi, 1010 Wien, Dominikanerbastei 19. Bis 21. 11. 

 

Jenseits der Koordinaten
Ramesch Dahas Ausstellung "32° N / 53° E" in der Wiener Galerie Bleich-Rossi

Für ihre Serie "9/11" hat Ramesch Daha mittlerweile 714 Porträts der Opfer realisiert, um sich dem Anschlag auf einer Ebene anzunähern, die jenseits der journalistischen Berichterstattung liegt. In der Galerie Bleich-Rossi rückt sie unter dem Titel "32° N / 53° E" einen weiteren medialen Brennpunkt ins Bild.

32° N/53° E sind die amtlichen Koordinaten des Iran, wo Ramesch Daha 1971 geboren wurde. Wie viele andere liberale Iraner flüchtete ihre Familie 1978 nach Wien. Mit Familienfotos, Zeichnungen und Videos skizziert Daha die Geschichte des Landes, die bis zu den jüngsten Ereignissen reicht.

Betritt man den Ausstellungsraum, trifft man zunächst auf ein stark abstrahiertes Landschaftsbild, das noch jenseits politischer Ein- und Zuschreibungen liegt. In der Mitte steht ein Beistelltischchen, auf dem sie die Fotos ihrer Familie präsentiert. Sie liegen auf einem Haufen und zeigen unter anderem eine Hochzeitsgesellschaft, bei der weder die Braut noch eine der anderen Frauen den Schleier trägt. Es handelt sich um private Erinnerungen, die die Künstlerin gar nicht erst in eine lineare oder wertende Ordnung zu bringen versucht, auch wenn die meisten von einer liberaleren Zeit und der zeitweisen Öffnung gegenüber dem Westen erzählen.

Zeichnungen offenbaren die dunklere Seite des Landes: Sie basieren auf den Fotos der Großmutter, aber auch auf Bildmaterialien aus Zeitungen oder dem Internet. Sie zeigen die Lage von Pipelines und Ölfeldern, Bilder von Raketen oder der staatlich angeordneten Geschlechtertrennung. Und zwischen Porträts der Familie und einigen anderen glücklich wirkenden Menschen sind auch Erschießungskommandos zu sehen. Ähnlich wie die in Vancouver lebende Großmutter, die sich in einem Video an Bruchstücke ihrer Jugend erinnert, erzählt auch Daha nicht die ganze Geschichte: Sie vermittelt mit den teilweise disparaten Fotos, Zeichnungen und Gemälden ein Bild der Geschichte, das seine Konstruiertheit nicht leugnet und auch ihre eigene mediale Infiltration nicht unberücksichtigt lässt. (cb / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.10.2009)

 

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