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07.11.2001 - Ausstellung
AUSGESTELLT IN WIEN von JOHANNA HOFLEITNER


Galerie Hubert Winter. Neben der Installation, Zeichnung und Malerei sind für Birgit Jürgenssen Photographie und Video wichtige Medien. Ihre aktuelle Ausstellung nennt sie "ich weiß nicht". Und wie schon das Großbild des von schmutzigen Schneemassen verschütteten gelben R4 im Schaufenster andeutet, geht es dabei ebenso sehr um Parameter wie "Ich", "Negation", "die Farbe Weiß" wie um Uneindeutigkeiten. Dafür lotet Jürgenssen verschiedene Motive aus: ein von Hölderlin-Lektüre begleitetes Wintergewitter als schauriges Aufeinandertreffen von Natur- und Kunstgewalt; ein minutiöser Kameratrip durchs Atelier, angelegt als endlose Videoschleife; Photographien von Bäumen im Schnee oder dem herbstlichen Wienerwald als Erinnerungsstenogramme. Nur manchmal verrennt Jürgenssen sich in computertechnischen Exerzitien und überzieht beispielsweise Frauenhaut mit verspieltem Zebramuster (VII., Breite Gasse 17; bis 20. Dezember).

Knoll Galerie. "Objects" untersucht Orshi Drozdik in ihrer dritten Wiener Schau: Porzellanfiguren aus dem 19. Jahrhundert und altes römisches Apothekeninventar. Als Instrument für Analyse und Aufzeichnung dient ihr dabei der Photoapparat. In extremen Vergrößerungen dokumentiert sie nicht nur persönliche Erinnerungsmomente. Wie in früheren Arbeiten versucht sie auch hier, klischierte Rollenbilder und eingefahrene Machtstrukturen sichtbar zu machen. Allerdings stehen der ästhetischen Absicht diesmal eigene Sentimentalitäten und ein überzogener Moralanspruch im Weg (VI., Esterhazygasse 29; bis 17. November).
Mezzanin. Im Dreischritt treffen hier Malerei und Photographie kalifornischer Konzeptkünstler unterschiedlicher Generationen aufeinander. Da zollt etwa Santos R. Vasquez seinen beiden Kollegen Tribut, indem er kalifornische Architekturmotive aufgreift, die die beiden ihrerseits in ihrer Kunst zitiert hatten. Bill Leavitt beschäftigt sich in frischer Malerei mit dem Konsumismus seiner Landsleute. Christopher Williams vollendet den Reigen und legt in seinen Architekturaufnahmen von Brasilia den absurden, Amerika nachempfundenen Modernismus einer Wüstenstadt frei, die es nicht geschafft hat, eine lebendige urbane Szenerie hervorzubringen (VII., Mariahilfer-straße 74b; bis 16. November).

Galerie Johannes Faber. Am meisten interessierte Jacques-Henri Lartigue (1894-1986) das Thema Bewegung, und zwar in jeder Form: sei es der erste Flugversuch seines Onkels oder ein durch die Luft springender Hund. Mit seiner Aufmerksamkeit für diese uralte Sehnsucht des Menschen, die um die Jahrhundertwende entscheidende Fortschritte machte, sicherte sich Lartigue in der Geschichte der Photographie einen fixen Platz. Die Arbeiten von Philippe Halsman (1906-1979), zeichnen sich zusätzlich durch Witz aus. Er schaffte es, 101 Mal aufs Cover des LIFE-Magazins zu kommen. Kaum ein Prominenter der Nachkriegszeit, den der Profi nicht verewigt hätte: die Monroe, Warhol, Dalí, Oskar Werner. Als köstliches Beiprodukt der Photosessions ließ er sie alle in die Luft springen - die Dokumente, genannt Jumpologie, sind in einem eigenen Buch veröffentlicht (IV., Brahmsplatz 7; bis 24. November).



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