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Klimt? Amerling? Who the hell cares!

16.10.2008 | 19:03 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Während England seit Wochen leidenschaftlich darüber diskutiert, ob und wie man 64 Mio. Euro aufbringen kann, um ein ...

...bisher nur geliehenes Tizian-Gemälde dauerhaft für die National Gallery zu sichern, wurde am Mittwoch ein Meisterwerk des Wiener Biedermeier versteigert, das vor seiner Restitution ein Höhepunkt des Belvedere war.

Einfach so. Um einen Rekordpreis (1,5 Mio. €). Der neue Besitzer: der bestens beratene Fürst Liechtenstein, der das Gemälde sogar in Wien und öffentlich zugänglich in seinem Privatmuseum belässt. Das hätten wir nicht verdient. Kein „National Heritage Memorial Fund“ hat aufgeschrien, wie er es in England seit 1994 tut und um vier Milliarden Pfund 26.000 Objekte erhalten hat. Auch kein „Heritage Lottery Fund“, der rund zehn Mio. Pfund pro Jahr in das kulturelle Erbe Englands investiert. Und schon gar kein privater, von 80.000 Mitgliedern unterstützter „Art Fund“, der ebendort mit vier Mio. Pfund pro Jahr Kunst ankauft.

Wir haben nichts. Keine staatliche Stiftung, keine privaten Initiativen, keine Kultur, nicht einmal eine starke Stimme für diese. So wurde es Ministerin Schmied allzu leicht gemacht, die von ein paar Museumsdirektoren verfasste Petition zum Rückkauf des Amerling-Mädchens abzuwinken. Weder gab es eine Kampagne noch Künstler noch Kunsthistoriker dazu, die sich empörten, es gab rein gar nichts.

Dafür haben wir Megaschauen, mehr Event als Ausstellung, in die sich Schaulustige wie Sardinen quetschen, anstatt sich in Ruhe mit Kunst auseinanderzusetzen. Das könnten sie in den verlassenen Schausammlungen. Doch wir haben seit Zerfall der Monarchie und Vernichtung des jüdischen Bürgertums abgeschlossen mit dem kulturellen Erbe dieses Landes. Sollen sie doch abhauen, diese Klimts und Amerlings, eh nur zweitklassige Maler. So wurde schon Klimts „Adele“ nachgerufen. Österreich eine Kulturnation? Das ist blanker Zynismus. Aber egal. „Starmania“ steht vor der Tür. Die Schlangen vor van Gogh. Und wenn uns die Krise voll erwischt hat, werden wir wohl lange wieder lernen müssen zu erkennen, was uns wirklich trösten kann.


almuth.spiegler@diepresse.com


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