Salzburger Nachrichten am 23. Juli 2005 - Bereich: kultur
Alles im Verschwimmen Das gesamte
"Auflagenwerk" von Gerhard Richter im Rupertinum
KARL HARBSALZBURG (SN). Gerhard Richter ist der bekannteste (und
teuerste) deutsche Künstler der Gegenwart. Das malerische Werk zählt zu
den großen Konstanten der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Weniger
bekannt ist das druckgrafische Schaffen, das nun im Salzburger Rupertinum
als letzter Station einer Ausstellungstournee des Bonner Kunstmuseums in
rund 220 Arbeiten ausgebreitet ist. Chronologisch reicht das Spektrum von einem frühen Siebdruck aus dem
Jahr 1965 bis zu jüngsten Arbeiten (die "Haut"-Serie 2004). Thematisch
präsentiert sich in diesen vier Jahrzehnten Gerhard Richter mit allen
Motiven, die er in seinem Werk durchgespielt hat: Familie, Porträt, Akt,
Flugzeuge und Schiffe, optische Täuschungen, Landschaften, Stillleben,
Abstraktionen. Nicht die klassischen druckgrafischen Techniken
interessieren den Großmeister nüchterner Distanziertheit, sondern die
"fotografischen" Elemente wie Offset, Siebdruck, die Heliogravüre oder der
aufwändige Lichtdruck. Das hänge, sagte einer der Kuratoren am Freitag bei der Präsentation
der Ausstellung, damit zusammen, dass Richter kein Interesse an einer
persönlichen "Handschrift" habe. Der Künstler - der als Familienmensch und
sehr scheu gilt - möchte am liebsten hinter seinen Bildern verschwinden.
Stattdessen beschäftige ihn die Frage von Bild und Abbild, von
Authentizität und Gefährdung durch die mediale Bilderflut. Können wir den
Bildern eigentlich überhaupt noch trauen? Das Foto als eine Art Dokument der Realität bringt Richter zum
Verschwimmen. In der permanenten Unschärfe stellt er den Blick des
Betrachters paradoxerweise scharf. Er fokussiert ihn auf das Ungefähre,
dem auch ein Moment der Bewegung (bis hin zum Verschwinden) innewohnt.
Nicht nur historische Persönlichkeiten wie Mao oder Königin Elisabeth II.
lösen sich so in Grauwerte auf. In einer imposant inszenierten Abfolge von
"48 Porträts" berühmter Dichter, Denker und Musiker manipuliert Richter
die bekannten Physiognomien oft nur minimal, so dass sie einen gleichsam
"malerischen" Schwarzweiß-Effekt ergeben. Sein eigenes Werk nimmt Richter vor solchen Verfremdungen nicht aus.
Ein großes, verschwommenes Aktfoto geht in originaler Größe auf ein gleich
lautendes Gemälde von ihm zurück, für das wiederum einst ein Foto als
Vorlage diente. Die Kunst Richters besteht (auch) darin, wie er damit
Detailakzente verschiebt, um einen neuen Originalzustand
herzustellen."Gerhard Richter. printed!" Druckgrafik, Fotoeditionen,
Künstlerbücher. Rupertinum Salzburg, bis 16. Oktober. |