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Kunstberichte

"Loop" in Barcelona: Wie vertreibt man digitale Kunstwerke?

Videokunst im Zeitalter des Kopierens

Loop-Festival

Loop-Festival (© Loop / WZ Online)

Barcelona. (Apa / WZ Online) Es hat lange gedauert, bis sich die Videokunst im regulären Kunstmarkt, in Galerien und Sammlungen etabliert hat. Ob sie dort gut aufgehoben ist, bleibt eine andere Frage: Auf der am Sonntag in Barcelona zu Ende gegangenen Videokunstmesse "Loop" wurde die Sinnhaftigkeit der Verkaufswege heftig diskutiert.

Über die derzeitige Praxis, wenige Kopien eines digitalen Films als Original-Kunstwerke zu verkaufen, "werden die Menschen in 20 Jahren wohl lachen", sagte Transmediale-Direktor Andreas Broeckmann während einer Diskussionsveranstaltung im Rahmen der Messe. Die heutzutage zumeist auf DVD gebannten Werke können im Zeitalter von Internet, Tauschbörsen und einem neu gedachten Urheberrecht kaum noch Exklusivität im klassichen Sinn beanspruchen.

Die "Loop"-Messe, Teil des gleichnamigen Festivals, präsentierte in den Zimmern einer ganzen Hoteletage in Barcelona eine bunte Mischung aus rund 50 internationalen Galerien an verschiedenartigen Video-Kunstwerken, die scheinbar nur eines gemeinsam haben: Sie sind auf einem Bildschirm oder einer Leinwand zu sehen. Selbst der Terminus ist umstritten: "Von Videokunst zu sprechen ist so sinnvoll wie von Skulpturkunst oder Malereikunst zu sprechen", so Broeckmann, Videokunst ist heute zumeist digital. Zu sehen und zu erwerben waren Kurzfilme, experimentelle Studien, computeranimierte Farbspiele oder Auseinandersetzungen mit menschlichen Emotionen.

Dieses bunte Spektrum ist nicht nur schwer zu klassifizieren, sondern stellt auch für den Verkauf und die Sammlung besondere Herausforderungen: Ein Videokunstwerk hängt man nicht einfach über das Bett im Schlafzimmer oder in eine Galerie. Komplizierte Nutzungsverträge bestimmen die Transaktionen bei Video- und auch Medienkunst, nicht nur auf der "Loop"-Messe, bei deren letzter Ausgabe im Vorjahr rund 70 Werke verkauft wurden (für heuer gibt es noch keine Zahlen).

Wie muss der Bildschirm aussehen, in welchem Abstand zum Projektor muss die Leinwand stehen oder welche technischen Geräte dürfen verwendet werden, und vor allem: wie viele Kopien dieses Werkes gibt es - all das und mehr muss für die Sammler und spätere Präsentationen des Werkes definiert werden. Denn im Unterschied zu einem Ölgemälde ist ein Videokunstwerk abhängig von den Bedingungen seiner Aufführung. Und die können sich durch den technischen Fortschritt oder auch veränderte Raumverhältnisse rasant verändern.

Diese technischen Aspekte sind jedoch am Kunstmarkt weitgehend ungeklärt: "Jeder verkauft Videokunst auf eine andere Weise", sagte die deutsche Galeristin Anita Beckers, die sich einen Leitfaden für den "professionellen Umgang mit Videokunst" wünscht. Angesichts der beliebigen Reproduzierbarkeit der digitalen Daten müssen die Videokunst-Verkäufe von einer Aura der Exklusivität umgeben werden, die sich im Zeitalter des Hochgeschwindigkeitskopierens allerdings mit dem Verkaufsversprechen, dass nur ein oder sehr wenige "Originale" in den Handel kommen, kaum aufrechterhalten lässt,. Wer ein Werk rechtmäßig besitzt, hat anderen meist nur ein Zertifikat voraus; das Werk selber ist insbesondere in Studieneditionen viel weiter verbreitet. "Es muss sich um einen ziemlich dummen Kunden handeln, der glaubt, eine von drei Kopien eines Werkes zu kaufen", sagte Ars Electronica-Leiter Gerfried Stocker.

Sonntag, 13. November 2005


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