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Künstlerhaus: Eine Großausstellung versucht, Hermann Nitsch in die Kunstgeschichte einzubetten

Kunstgeschichte geschrieben in Blutschrift

Das Künstlerhaus sucht für die Arbeiten des Aktionisten Hermann Nitsch nach einem Platz in den Weiten der Kunstgeschichte. Foto: Markus Krottendorfer

Das Künstlerhaus sucht für die Arbeiten des Aktionisten Hermann Nitsch nach einem Platz in den Weiten der Kunstgeschichte. Foto: Markus Krottendorfer

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Hermann Nitsch hat Geburtstag. Da gibt’s naturgemäß Geschenke. Ein Museum in Mistelbach etwa. Und eines in Neapel. Und das Künstlerhaus schenkt seinem prominentesten Mitglied mittels Ausstellung eine Einbettung in die Kunstgeschichte. Sicher kein Danaergeschenk, denn in Wien hat der Meister der neuen Dionysosriten sicher mehr Besucher zu erwarten als im wenig frequentierten Mistelbach.

Seine Kollegen, Freunde und Schüler begleiten das im Hauptraum installativ verdeutlichte Gesamtkunstwerk. Es handelt sich also um eine persönliche Kunstgeschichtsschreibung, auch wenn Seitenlinien wie der Einfluss der Wiener Aktionisten auf das junge Regietheater anklingen.

Die Geburt seiner Blutschrift aus den Ideen in Wien um 1900 – als avantgardistischer Nabel für Nitsch wichtige als Paris – integriert vor allem den symbolistischen Ansatz, der Gustav Klimt in die Abstraktion führte. Die sexuelle Revolution Sigmund Freuds oder Egon Schieles sieht Nitsch nach 1945 durch die der Aktionisten weiter enttabuisiert. Arnold Schönbergs Zwölftonreihen und die Synästhesien von Tönen und Farben münden in seinem Orgien Mysterien Theater. Doch vor allem die Archetypen und die Tiefenpsychologie von Freuds Schüler Carl Gustav Jung verbindet die Nitschianer.

Das Sichtbarmachen der Sexualität mit ihren verborgenen Grausamkeiten überlässt Nitsch im Künstlerhaus hauptsächlich Weggefährten wie Günter Brus, Rudolf Schwarzkogler, Otto Muehl, Adolf Frohner, Christian Ludwig Attersee und – historisch korrekt – der ersten Wiener Farbschüttung durch Markus Prachensky. Hier fehlt nur Alfons Schilling, doch sind mit Antoni Tapies und Emilio Vedova internationale Positionen erfasst.

Wahlverwandte und Schüler

Auf der Seite der Wahlverwandten und Schüler gibt es interessante und bekannte Positionen wie Wolfgang Denk, Ludwig Gerstacker, Magdalena Frey und Heinz Cibulka, aber auch unsäglichen Kitsch oder Imitationen aus dem Schülerkreis. Das Nachleben des beliebten Lehrers der Städelschule in Frankfurt und an Sommerakademien allein zu zeigen, wäre tatsächlich ein Himmelfahrtskommando geworden, wie Nitsch selbst erkannte.

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Wenn man will, hat alles irgendwie mit Hermann Nitsch zu tun, etwa auch Anton Koligs "Die Familie des Künstlers" (1928). Foto: Belvedere

Neu eingebettet in sein Werk mit Blick zurück bis in die Kulte der Frühgeschichte ist bald auch das alte Ägypten. Am 4. und 5. Juli wird in Mistelbach im und um das Museum "Die Ägyptische" Symphonie aufgeführt. Heurigenlokale und damit wohl auch Prozessionswege sind integriert. Der Brucknerdirigent Peter Jan Marthé wird mit dem European Philharmonic Orchestra, dem A capella Chor Weinviertel und der Stadtkapelle Mistelbach musizieren.

Sind nächstes Wochenende Hieroglyphen statt Noten auf der Partitur zu erwarten? Wohl kaum, auch wenn die Fülle der religiösen Bildsymbole und der Monotheismus von Pharao Echnaton Nitsch in ihrer Aktualität für unsere christliche Kultur seit einer Reise entflammt haben. Diese Nahsicht der Skarabäen und Mumien soll auch kein "Lied von der Erde" und schon gar keine Neunte Symphonie ausmachen – doch sind offenbar einmal mehr Tod und Auferstehung das Thema.

Kunst als Auflehnung gegen den Tod bringt im Besonderen die Einzelpassage des dritten Satzes der Neunten Symphonie von Anton Bruckner als "goldfarbene Abendstimmung", wohl gemixt mit Lärm- und Volksmusik. Dabei soll den dionysisch ekstatischen Klängen der Blasinstrumente auch apollinische Stille folgen. Sicher begleitet im synästhetischen Sinn des Gesamtkunstwerks von performativen Eingriffen für die Augen, bevor nach metaphorischer Lamm- oder Stierschlachtung die zu Würsten und Schnitzel verarbeitete Kreatur mit Hilfe von reinem Prinzendorfer Nitschwein durch die Kehlen in die Mägen gelangt. Wann die Katharsis dieser Einverleibung stattfindet, bestimmt dann jeder Besucher hoffentlich für sich.

Aufzählung Ausstellung
Nitsch. Vorbilder, Zeitgenossen, Lehre
Joachim Lothar Gartner (Kurator)
Künstlerhaus
Zu sehen bis 23. August

Printausgabe vom Freitag, 26. Juni 2009

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