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Kunstberichte

Schwenk nach Arkadien

Albertina präsentiert monumentale Aktzeichnungen von Karel Appel
Illustration
- Statisches in überdimensionalem Format: Karel Appels „Akt 14“ aus dem Jahr 1985.  Foto: Karel Appel Foundation, Amsterdam

Statisches in überdimensionalem Format: Karel Appels „Akt 14“ aus dem Jahr 1985. Foto: Karel Appel Foundation, Amsterdam

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Petitessen sehen anders aus: Als Karel Appel 1984 bis 1989 eine Serie von Akten nach weiblichen Modellen schuf, erforderten die monumentalen Papierformate speziell angefertigte Zeichentische.

Absolutes Novum sind diese Werke nun in Wien: Da die Albertina vom bekanntesten Vertreter der niederländischen Kunst des späten 20. Jahrhunderts bisher kein Blatt besaß, kommt dem Geschenk eines anonymen Mäzens besondere Bedeutung zu. Zudem war das Konvolut davor noch in keinem Museum zu sehen. Besonders geheimnisvoll ist dabei die Tatsache, dass sich Appel, einst heftig gegen die starren Regeln des Kunststudiums kämpfend, in späteren Jahren wieder diesem klassischen Thema zuwandte und sogar direkt nach Modellen arbeitete – so wie es die Akademien seit der Spätrenaissance als "Naturstudium" verordnet hatten.

Kehrtwende

zur Konvention

Vielleicht erinnerte sich der Revolutionär, als Student in den Kriegsjahren überdies mit dem Vorbild der Antike konfrontiert, in den 80er Jahren aber gerade an das, was er über Jahrzehnte so heftig abgelehnt hat. Als Mitglied der Cobra-Gruppe von 1948 bis 1951 hatte er mit Asger Jorn, Pierre Alechinsky und anderen dagegen die Kunst der Kinder und der Geisteskranken favorisiert. Dazu kamen die spontane Malweise der New York School und eine Vorliebe für expressive Übersteigerung und Formauflösung.

Eingefrorene Bewegungen

Ein Bild aus der Sammlung Batliner von 1961 hängt neben den Akten, um an diese wichtige Phase zu erinnern: ein gestisches Feuerwerk, das statt dem "Gesicht in einer Landschaft" nur pastose Farbmengen wirken lässt.

Vielleicht sind die Akte aber auch eine Demonstration der Loslösung von den Idealen der avantgardistischen Gruppe, eine Betonung eigener Wandlungsfähigkeit. Sie wirken bis auf wenige, schier eingefrorene Bewegungen eher statisch. Zwar nicht in der Machart chaotischer Kreide- und Acrylstriche, aber durch klassische Stellungen: Liegende und Kauernde erinnern an viele Vorbilder, sogar im Barock. Im Duktus ist nicht nur eine räumliche Disposition der Körper angegeben, sondern auch ein für Karel Appel typischer Gefühlsausdruck.

Die Dominanz von Grau und Lila schwächt jedoch die Sinnlichkeit der wenigen reinen Farblinien in eine melancholische Richtung ab: bei aller Frische in der Wirkung war der Maler über 60 Jahre alt, als dieser Zyklus in Südfrankreich und New York entstand. Ein Alter, in dem oft ein Rückblick auf das eigene Schaffen einsetzt – doch Appel wiederholte sich nicht.

Er brach damit in ein eigenwilliges Arkadien auf, das in den vor seinem Tod entstandenen Landschaften dann noch deutlicher erscheint.

Karel Appel.

Monumentale

Aktzeichnungen

Albertina

http://www.albertina.at

01/53483-0

Bis 3. Februar

Impulsive Klassik.

Donnerstag, 06. Dezember 2007


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