Petitessen sehen anders aus: Als Karel Appel
1984 bis 1989 eine Serie von Akten nach weiblichen Modellen schuf,
erforderten die monumentalen Papierformate speziell angefertigte
Zeichentische.
Absolutes Novum sind diese Werke nun in
Wien: Da die Albertina vom bekanntesten Vertreter der niederländischen
Kunst des späten 20. Jahrhunderts bisher kein Blatt besaß, kommt dem
Geschenk eines anonymen Mäzens besondere Bedeutung zu. Zudem war das
Konvolut davor noch in keinem Museum zu sehen. Besonders geheimnisvoll
ist dabei die Tatsache, dass sich Appel, einst heftig gegen die starren
Regeln des Kunststudiums kämpfend, in späteren Jahren wieder diesem
klassischen Thema zuwandte und sogar direkt nach Modellen arbeitete –
so wie es die Akademien seit der Spätrenaissance als "Naturstudium"
verordnet hatten.
Kehrtwende
zur Konvention
Vielleicht erinnerte sich der Revolutionär, als Student in den
Kriegsjahren überdies mit dem Vorbild der Antike konfrontiert, in den
80er Jahren aber gerade an das, was er über Jahrzehnte so heftig
abgelehnt hat. Als Mitglied der Cobra-Gruppe von 1948 bis 1951 hatte er
mit Asger Jorn, Pierre Alechinsky und anderen dagegen die Kunst der
Kinder und der Geisteskranken favorisiert. Dazu kamen die spontane
Malweise der New York School und eine Vorliebe für expressive
Übersteigerung und Formauflösung.
Eingefrorene Bewegungen
Ein Bild aus der Sammlung Batliner von 1961 hängt neben den Akten,
um an diese wichtige Phase zu erinnern: ein gestisches Feuerwerk, das
statt dem "Gesicht in einer Landschaft" nur pastose Farbmengen wirken
lässt.
Vielleicht sind die Akte aber auch eine Demonstration der Loslösung
von den Idealen der avantgardistischen Gruppe, eine Betonung eigener
Wandlungsfähigkeit. Sie wirken bis auf wenige, schier eingefrorene
Bewegungen eher statisch. Zwar nicht in der Machart chaotischer Kreide-
und Acrylstriche, aber durch klassische Stellungen: Liegende und
Kauernde erinnern an viele Vorbilder, sogar im Barock. Im Duktus ist
nicht nur eine räumliche Disposition der Körper angegeben, sondern auch
ein für Karel Appel typischer Gefühlsausdruck.
Die Dominanz von Grau und Lila schwächt jedoch die Sinnlichkeit der
wenigen reinen Farblinien in eine melancholische Richtung ab: bei aller
Frische in der Wirkung war der Maler über 60 Jahre alt, als dieser
Zyklus in Südfrankreich und New York entstand. Ein Alter, in dem oft
ein Rückblick auf das eigene Schaffen einsetzt – doch Appel wiederholte
sich nicht.
Er brach damit in ein eigenwilliges Arkadien auf, das in den vor
seinem Tod entstandenen Landschaften dann noch deutlicher erscheint.
Karel Appel.
Monumentale
Aktzeichnungen
Albertina
http://www.albertina.at
01/53483-0
Bis 3. Februar
Impulsive Klassik.
Donnerstag, 06. Dezember 2007