Viennafair im Messezentrum: 114 Galerien mit
Südosteuropa-Fokus
Nicht ohne Aktionisten
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Inszenierung muss sein: Auffallen ist auch auf dieser Messe wichtig, wie
der Messestand der Galerie 3 zeigt. Foto: Reed Exhibitions Messe Wien
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Von Brigitte
Borchhardt-Birbaumer

Kunstmesse:
Viele Kollaborationen und transdisziplinäre Manifeste bis Sonntag.

Großes Spektrum an neuen Medien.
Wien. Die
freudige Überraschung für Kunstkritiker, heuer auf der 6. Viennafair
auf viel mehr junge Kunst zu treffen, lässt im zweiten Atemzug schon
nachdenklich werden. Darüber, ob die Auswirkungen auf die Kunstpreise
durch die anhaltende Wirtschaftsunsicherheit den Newcomern mehr Chancen
geben oder ob die auffallenden Kollaborationen mancher Galerien
untereinander nicht auch mit den hohen Standpreisen zusammenhängen.
Klassiker finden sich jedoch immer noch unter den teuren Angeboten –
allerdings kein Picasso, aber Joseph Beuys, Günther Uecker und
Lichtkünstler Heinz Mack. In der Malerei Peter Pongratz, Markus Lüpertz
oder Per Kirkeby – da fragt man kaum nach Preisen. Natürlich geht es in
Österreich nicht ohne die Aktionisten und ihr Umfeld: Arnulf Rainer ist
bei acht Galerien vertreten, Hermann Nitsch immerhin bei sechs, der
verstorbene Bruno Gironcoli bringt es auf vier, Oswald Oberhuber auf
Beiträge in drei Galerien.
Vor allem bei den 33 Galerien aus Südosteuropa, davon auch endlich
zwei aus der Türkei, die zum Teil durch Förderungen nach wie vor den
CEE-Schwerpunkt bilden, ist das Spektrum an neuen Medien um Foto und
Film groß. Kunst und Film ist ein Generalthema, das auch vom
künstlerischen Leiter der Messe, Edek Bartz, durch die Film- und
Videoschiene "Borrowed Time" begleitet wird.
Historische Positionen
Dazu zeigt die Erste Group aus ihrer Sammlung ein Video- und
Filmprogramm: neben Klassikern von Peter Weibel auch junge Positionen
wie Dorit Margreiter oder Carola Dertnig. Wichtig im Blick auf den Osten
sind auch historische Positionen wie Jon Grigorescu, Geta Bratescu oder
Yüksel Arslan, die neben der Messe einen Auftritt in einem Beiheft zur
"Springerin" bekommen; die Kunstgeschichte wird wieder umgeschrieben.
Dem Osten stehen 34 Galerien aus Westeuropa gegenüber – der Großteil
aus Deutschland –, aber es sind auch Estland, Lettland und Litauen
erstmals hier sowie Mexiko und die arabischen Emirate. Kulturelle
Unterschiede sind hier nicht zu finden, außer den individuellen
Geschmäckern der einzelnen Galeristen. World-Art ist längst eingekehrt,
für einen auffallenden Stand muss schon ein bisschen Inszenierung her.
Die beiden Preise der Wirtschaftskammer gingen diesmal an die Galerie
nächst St. Stephan und die junge Galerie Koch Oberhuber Wolff für ihre
gelungenen Gestaltungen. Auffälliger freilich sind Konzett oder Charkasi
aus Wien, Teapot aus Köln mit Thomas Palmes gezeichneten "Kunsthuren"
und die Galerie Knoll, die ja die Verbindung zum Osten mit ihrer
Budapester Filiale 1989 und Künstlern wie Akos Birkás und den Blue Noses
begonnen hat.
Ganz besonders ist der minimalistische Doppelauftritt von Andreas
Huber und Tulips & Roses aus Vilnius, ästhetisch höchst ansprechend
die Zusammenarbeit der Wiener Galeristinnen Charim, König und Senn.
Skulptur und Installationen machen langsam wieder breitere Auftritte,
wobei nach wie vor viele zwitterhafte Objektwesen die Überschneidungen
der Künste betonen.
Zeichen der Krise?
Kunstsoziologie oder Themen wie Aids, aber auch Performances von
Josef Dabernig oder Marlene Haring sind neben Diskussionen für die
nächsten Tage angesagt, die Angewandte propagiert vor transparentem
Baldachin ihren neuen Studiengang "Transdisziplinary Art" und der
Forschungsfonds ist auch in der Kunst angekommen.
Dazu haben die Niederösterreicher eine konstruktive Bühne für den
professionellen Auftritt ihrer Institutionen und Museen aufbauen lassen –
doch dahinter verbirgt sich erstmals ein Stück leere Halle: Es sind
doch acht Galerien weniger als letztes Jahr. International haben viele
ihre enorm teuren Messebeteiligungen heruntergeschraubt, da ist der
Rückgang wahrscheinlich in Wien sogar noch gering. Zeichen der Krise
oder vielleicht doch nur Psychologie – Sigmund Freud ist jedenfalls
nicht nur Thema bei Agnieszka Polska in der Berliner und Krakauer
Galerie Zak/Branicka. Die Psychopathologie des Alltagslebens hat Kunst
und Wirtschaft fest im Griff.
Die Viennafair ist auf dem Gelände der Messe Wien bis Sonntag zu
besuchen. Am Donnerstag öffnet die Messe von 12 bis 19 Uhr, Freitag 12
bis 21 Uhr, Samstag 11 bis 19 Uhr und Sonntag 11 bis 18 Uhr. Das
Online-Ticket kostet 11 Euro, an der Tageskasse 16 Euro. http://www.viennafair.at
Printausgabe vom Donnerstag, 06. Mai 2010
Online
seit: Mittwoch, 05. Mai 2010 18:22:16
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