Salzburger Nachrichten am 1. Dezember 2006 - Bereich: Kultur
Ein Himmelsmaler ohne Pinsel

"Ich kann die Farbe des Himmels ändern", versichert der Lichtkünstler James Turrell, der für Salzburg einen "Himmelsraum" geschaffen hat.

Hedwig Kainberger Interview Auf dem Salzburger Mönchsberg, neben dem Museum der Moderne, wurde ein sonderbares Gebilde errichtet: Ein elliptischer Zylinder, mit Konglomerat eingehüllt, ist durch zwei Portale zu betreten. Der Innenraum ist weiß verputzt, im Dach ist ein Loch, ebenfalls in Form einer Ellipse, das für den Blick auf den Himmel ebenso offen ist wie für Regentropfen oder Herbstblätter. In Kopfhöhe ist eine Rille, in der - unsichtbar - Leuchten montiert sind, die ein zartes, farbiges Licht auf die Wände werfen.

Es ist ein "Sky space", den der US-amerikanische Künstler James Turrell geschaffen hat. Auftraggeber ist die Salzburg Foundation, die damit der Stadt Salzburg das fünfte Kunstwerk im öffentlichen Raum zum Geschenk macht. Übermorgen, Sonntag, wird der "Himmelsraum" eröffnet. Die SN trafen James Turrell am Donnerstag während der letzten Vorbereitungen.

Was haben Sie da oben auf dem Mönchsberg bauen lassen? Turrell: Es ist ein Himmelsraum ("Sky space"). Dort stößt das Licht von innen auf das Licht von außen. Ich möchte zeigen, wie das Licht, das wir machen (künstliches Licht, Anm.), auf den Himmel wirkt. Wird das künstliche Licht verändert, ändert dies die Farbe des Himmels.

Was sieht man, wenn man einen solchen "Sky space" betritt? Turrell: Zuerst sehen Sie den Himmel. Aber das Wichtige ist: Der Himmel ist nicht mehr etwas, was da draußen, weit weg von Ihnen ist. Sondern der Himmel erscheint fast direkt über diesem Raum, manchmal schaut es so aus, als wäre er ein Stück Glas oder eine opake Malerei.

Was bewirkt das künstliche Licht, mit dem die Wände in wechselnden Farben erleuchtet werden?

Turrell: Dieses Licht (das künstliche, Anm.) verändert die Farbe des Himmels. Er kann grün oder rosa werden oder jede Farbe, die Sie wollen.

Warum passiert das? Der Himmel bleibt doch derselbe. Turrell: Das hat mit unserer Wahrnehmung zu tun. Denn wir sehen immer in einem Kontext.

Wenn Sie mit einer Kamera den Himmelsausschnitt (bei verschiedenen Farben der Wände, Anm.) fotografierten, wäre das Bild immer gleich. Aber wir erkennen jeweils andere Farben des Himmels, weil wir diese je nach der Umgebung und Kontrasten wahrnehmen.

Man könnte also diese Wahrnehmung nur malend festhalten. Turrell: Ja, oder Sie bearbeiten das Bild mit Photoshop, das ist ja heute wie malen. Wenn wir ein Bild (des Himmels im "Sky space", Anm.) so haben wollen, wie wir es sehen, müssen wir es verändern.

Was wollen Sie damit zeigen? Turrell: Unser Sehen ist nicht vollkommen. Wir sehen immer in einem Kontext. Und wir formen unsere eigene Realität, teils aus Vorurteilen, teils aus Erwartungen davon, wie es sein sollte. Wir erwarten, dass der Himmel blau ist, also ist er blau, auch wenn er bewölkt ist.

Ich kann nicht den Himmel verändern. Aber ich kann den Kontext des Sehens verändern.

Sich selbst beim Sehen zusehen Wir glauben, die Farbe, die wir dem Himmel beimessen, ist etwas, was wir empfangen. Doch hier zeige ich, dass wir sie ihm geben.

Indem Sie die Farbe der Himmelsfläche verändern, machen Sie eigentlich eine Art von Malerei.

Turrell: Ja, meine Arbeit kommt von der Malerei. Im 18. und im 19. Jahrhundert malten die Leute so genannte Panoramen (siehe das Sattler-Panorama in Salzburg, Anm.). Diese Art von gemaltem Raum in drei Dimensionen war damals populär. Das ist eine Art von Malerei-Installation. Ich mache Ähnliches als Installation mit Licht. In diesem Sinne habe ich das Raumgefühl eines Malers in drei Dimensionen.

Sie arbeiten also wie ein Maler ohne Pinsel?

Turrell: Oh! Ich arbeite genau in der Tradition der Malerei. Denken Sie an Rembrandt und Vermeer, an Turner und Constable, an die Impressionisten. Deren Thema ist das Licht. Auf Bildern wie Monets Kathedralen oder Heuhaufen ist das Objekt nicht so wichtig wie das Licht. Und dann sind da die Werke von Mark Rothko oder einige von Yves Klein. Es scheint, als komme das Licht direkt aus deren Bildern.

Ich will einfach reines Licht verwenden. Aber das Wichtige in der Beobachtung der Himmelsfläche (in einem "Sky space", Anm.) ist nicht der Himmel selbst, sondern unsere Wahrnehmung. Wir beginnen, uns selbst beim Sehen zuzusehen.

Ich verwende Licht als Material, um mit dem Medium der Wahrnehmung zu arbeiten.

Gibt es einen Unterschied zwischen Licht und Farbe? Turrell: Nein, Licht ist Farbe.

Was Sie erläutern, klingt sehr wissenschaftlich, basierend aus Erkenntnissen der Physik und Physiologie.

Turrell: Das, was ich tue, ist keinesfalls wissenschaftlich. Wissenschaftlich ist nur das Erklären, wie es funktioniert.

In welchem Sinne ist es Kunst?

Turrell: Kunst ist das, was Künstler tun. Wir haben eine Weise, auf die Welt zu schauen. Und manchmal kann das Leuten helfen, ihren Blick auf die Welt zu ändern.

Was muss für uns Betrachter passieren, dass es Kunst ist?

Turrell: Das ist Ihr Problem! Wenn Sie sich mit Literatur auseinander setzen, müssen Sie sich entscheiden, ein Buch zu lesen und ihm Zeit geben. Das ist der Grund, warum für viele Leute zeitgenössische Kunst so schwierig ist: Weil sie nicht bereit sind, ihr Zeit zu geben, offen zu sein und sich einzulassen.

Auch wenn es Ablehnung, leidenschaftliche Ablehnung von Kunst geben kann, die Auseinandersetzung mit ihr ist eine Arbeit, eine langsame, sanfte, überhaupt nicht schockierende.