Salzburger Nachrichten am 19. April 2002 - Bereich: kultur
Rot als Lebensfarbe

Zum 70. Geburtstag widmen Österreichische Galerie und Galerie Ulysses in Wien Markus Prachensky eine Werkretrospektive
mit 90 Arbeiten.

GÜNTHER FROHMANN

Er begibt sich nach wie vor zumeist ab August Monate lang auf Reisen, dann entstehen in Wien Skizzen, Arbeiten auf Papier, schließlich in Serien Leinwandbilder als Abschluss des Werkprozesses. Ein neuer Arbeits- und Lebenszyklus kann beginnen.

Kurator Franz Smola gestaltet die Retrospektive chronologisch und betont die Kontinuität des Oeuvres von Prachensky, zeigt aber ebenso die Unterschiede in der Dynamik des Pinselstrichs, der Heftigkeit der Bildsprache im Verlauf der einzelnen Werkphasen. Ein Kontinuum ist zweifellos die Vorliebe zur Farbe Rot, denn - so bekennt Prachensky - "es ist die Farbe Rot, in der ich mich ausdrücken kann, die Farbe meines Lebens".

Prachensky zählte 1956 zu den vier Mitbegründern der von Msgr. Otto Mauer geförderten Gruppe "Galerie St. Stephan", Speerspitze der damaligen, heftig angefeindeten österreichischen Avantgarde. Beeinflusst von Künstlern wie Georges Mathieu in Frankreich oder Emil Schumacher als führenden Repräsentanten einer "informellen" Kunst, fand Prachensky den Weg zu einer gestischen, spontan aus der Bewegung entstehenden, abstrakten Malerei. Er entwickelte eine "Hand-Schrift", durch die er "frei werden, Freiheit gewinnen wollte". Diese Unmittelbarkeit hat sich die Malerei des Jubilars bis heute bewahrt.

Die formal strengen, unverkennbar an Mondrian orientierten frü-hen Bilder der Jahre 1953-1955 waren bisher kaum bekannt. Die "rote" Serie von 1956/57 scheint hingegen wie von anderer Hand gemalt. Rote Farbbahnen wirken wie hingeschleudert, ändern in wilden Zick-Zack-Bewegungen ständig ihre Richtung, ein tiefschwarzer Hintergrund schafft "Raum". Es entstehen aber auch an den Rändern geradezu explodierende Farbflecken, die an Kalligrafien erinnern.

Verblüffend ist der Sprung von den frühen sechziger Jahren zu den Arbeiten der neunziger Jahre. Sie tragen Titel wie "Sardegna" oder "Amanpuri", verstehen sich aber keineswegs als Landschaften. Vielmehr möchte Prachensky mit jedem Bild über das Gesehene hinausgehen, "um eine Intensität zu gewinnen, die derjenigen der erfahrenen Wirklichkeit entspricht". Die Arbeiten bewahren ihren spontan gestischen, ausfahrenden Charakter, wirken aber formal beherrschter, wieder dem Ornament angenähert. Die jüngsten Bilder wie "California revisited" faszinieren durch ihre intensive Farbigkeit, Gelb, Grün und Violett treten mit dem dominierenden Rot auf.

Die "Maremba"- oder "Umbria"-Serien von 1985/1986 zeigen mit ihren vertikalen, strahlenden Farbblöcken wieder einen anderen Prachensky. Zeugnis der Kraft seines bisherigen Lebenswerks ist der Katalog, zugleich das bisher umfangreichste Dokument des Oeuvres.

Österreichische Galerie, Oberes Belvedere, Wien, bis 23. Juni, Di.-So. 10-18 Uhr