Magisches Zahlenspiel mit der 7

In der Abgeschiedenheit des elterlichen Hauses entstand das zeichnerische Werk von Carl Fredrik Hill.
Von Katharina Menhofer.


Er war eine Inspirationsquelle für Arnulf Rainer, Günter Brus, Gerhard Rühm oder Per Kirkeby: Der im Jahr 1849 als Sohn eines Mathematikprofessors in Lund geborene Carl Fredrik Hill war seiner Zeit um rund 100 Jahre voraus - ein hoffnungslos Verkannter, weil zu früh Geborener.

Er hat die "ecriture automatique" angewendet, lange bevor die Surrealisten diese Maltechnik, bei der man den Stift nicht vom Blatt hebt, einen Namen gaben. Einige Porträts erinnern stark an die Heldenbilder von Georg Baselitz, und die Frottage, eine besondere Schraffierungstechnik, hat er lange vor Max Ernst erfunden.

Schrift und Bild kombiniert

"Hill hat in seinen Zeichnungen auch oft Schrift und Bild kombiniert", erklärt der Kurator Kay Heymer. "Das verselbständigt sich teilweise zu reinen schriftbezogenen Zeichnungen. Das ist eine interessante Anknüpfung an bestimmte konzeptuelle Ansätze der Kunst der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts."

MM 46.699 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: Malmö Konstmuseum
MM 46.699 (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: Malmö Konstmuseum

Die Zeichnungen von Carl Fredrik Hill sind äußerst schwierig zu strukturieren, denn keines trägt einen Titel, keines ist datiert. Ein chronologischer Zusammenhang lässt sich nicht finden.

Magische Zahlenspiele

MM 45.916 / ©Bild: Malmö Konstmuseum
MM 45.916 / ©Bild: Malmö Konstmuseum

Auch inhaltlich sind die Zeichnungen höchst unterschiedlich: Familienstudien, Porträts, apokalyptische Landschaften, Tiere und Fabelwesen. Aus den 2600 Werken, die im Malmöer Kunstmuseum gelagert sind, haben die Kuratoren 77 Zeichnungen und sieben Gemälde ausgewählt - ein Querschnitt aus Hills Schaffen. Die Zahl 7 zieht sie sich wie ein magisches Zahlenspiel durch die Bilder Carl Fredrik Hills.



Kurator Kay Heymer über die Bilderwelt Carl Fredrik Hills

"Sie werden noch wahnsinnig"

In einem Brief an Hill schrieb der deutsche Impressionist Max Liebermann einmal: "In Ihrem Kopf ist eine sonderbare Mischung aus Farbe, Spekulation, Bitumen, Klippen, Zweigen, Himmel, Pinseln und Gemälden,... Wenn Sie sich nicht beherrschen, werden Sie noch wahnsinnig."

Eine prophetische Warnung zu einer Zeit, als Hill noch mit großen Landschaftsgemälden auf sich aufmerksam machte und aufgrund ihrer Radikalität aneckte. Mit 28 Jahren erlitt er eine Psychose und galt fortan als schizophren.

Entmündigt

Hill kehrte in das Haus seiner Kindheit in Lund zurück und lebte entmündigt und abgeschnitten von der Umwelt mit Mutter und Schwester. Hier entstanden seine Zeichnungen.

"Zwischen Wahn und Wirklichkeit" hieß ein bahnbrechendes Buch, das der Psychiater Leo Navratil in den 70er Jahren veröffentlicht hat. Für ihn war Hill das Paradebeispiel für den Künstler als Kranken.

MM 20.571 / ©Bild: Malmö Konstmuseum
MM 20.571 / ©Bild: Malmö Konstmuseum

"Da gibt es den Kranken als Künstler, etwa Adolf Wölfli, einer der wichtigsten Kranken, der zu einem Künstler wurde. Dieses Thema 'Der Künstler als Kranker' meint einen Künstler, der professionell ausgebildet wurde, dann irgendwann eine Geisteskrankheit erleidet und dann im Verlauf dieser Geisteskrankheit sein künstlerisches Werk fortsetzt, aber die Qualität des künstlerischen Werkes beibehält oder gar steigert durch die Krankheit", so Heymer.

Schwanken zwischen Extremen

"Le Coupeur de Gorge" / ©Bild: Malmö Konstmuseum

Hills Krankheit äußerte sich auch in seinem Hin und Hergerissensein zwischen tiefsten Zweifeln und Komplexen und übersteigerten Selbstbewusstsein. "Maximus Pictor Hill" (Hill der größte Maler der Welt) steht auf einem seiner Bilder geschrieben, das nächsten Bild "Le Coupeur de Gorge" zeigt den sich selbst enthauptenden Künstler - ein Akt tiefster Verzweiflung. Auch seine Einstellungen zur Sexualität, zur Kirche oder zu seinem Vater schwanken zwischen den Extremen.

Als Hill 1911 in Lund starb, verkaufte die Schwester seine Bilder für je eine Krone an das Kunstmuseum in Malmö. Einen großen Teil der Bilder, vor allem jene, die sie als anstößig und obszön empfand, zerstörte sie. Was übrig geblieben ist, ist nun zum ersten Mal in einer Auswahl in der Stadt Sigmund Freuds zu sehen - auf Anregung des im Jänner verstorbenen Malers Walter Navratil.

Tipp:

"Carl Fredrik Hill (1849-1911) 777" vom 14. Februar bis 20. April in der Bawag Foundation, Tuchlauben 7a, 1010 Wien. Täglich 10.00 bis 18 00 Uhr. Führungen Samstag und Sonntag jeweils um 15.00 Uhr. Eintritt frei. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog. Information: (01) 534 53 226 55.

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