diepresse.com
zurück | drucken

28.06.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
RAF: Radikale Pose in Auflösung
VON THOMAS KRAMAR
NEUE GALERIE GRAZ: "Zur Vorstellung des Terrors", Kunst zum Thema RAF

Mit trotzigen Augen, entschlosse nem Mund, die Arme über dem Kopf verschränkt, konzentriert wie ein Samurai vor dem Kampf: die RAF-Terroristin Ulrike Meinhof, heimlich aufgenommen 1973, in der Haft, zirka drei Jahre, bevor sie sich erhängte. Johannes Kahrs, geboren 1965, als Meinhof bereits über ihren Kampf "gegen Unrecht und Gewalt" sinnierte, hat das Foto 2001 auf die Leinwand erhoben. In der Ausstellung konfrontiert er sie mit einem zweiten Gemälde: einer Szene aus "Taxi Driver", in der Robert De Niro aufbricht. Zwei Einzelkämpfer am Kippen in die Gewalt und Lächerlichkeit zugleich: So wird radikale Pose bloßgelegt.

Noch subtiler verfährt Lutz Dammbeck in "Nibelungen": Gudrun Ensslins und Andreas Baaders Gesichter, grob gerastert, grob vernäht mit Bildern von Büsten von Hitlers Lieblingsbildhauer Arno Breker - die Möchtegern-Revolutionäre als "heldische" Götterdämmerungs-Chimären, das ist hart.

Man hat der Ausstellung, die bereits in Berlin gelaufen ist, vorgeworfen, sie trage zur Mystifizierung von politischen Verbrechern bei. Nun, das hat Kunst oft getan. Und in etlichen Werken hier ist eben die Mythenbildung Thema. Bei den Alten spürt man noch Faszination - so bei Ex-"Provo"-Zeichner Willem - oder schiere Betroffenheit von der Ausnahmezustands-Panik - so in Katharina Sieverdings "Schlachtfeld Deutschland"; die Jungen begegnen dem "Radical Chic" mit Spott und Spiel. Erin Cosgrove macht eine Comic-Romanze mit Moral ("Violent love" statt "Love of violence"!) daraus; Christoph Draeger zeigt die Geschehnisse aus der Sicht eines Kindermädchens im 70er-Wohnzimmer; Scott King hält T-Shirts mit Aufdruck "Prada Meinhof" feil.

Ja ja, alles wird zur Ware, selbst die sogenannte Fundamentalopposition: Diese Predigt kommt hier etwas gar billig auf den Markt. Wie die Klagen, dass stolze Wörter wie "Avantgarde" heute in die Autowerbung gewandert sind: Die ist dem "bewaffneten Kampf in Westeuropa" jedenfalls vorzuziehen, oder? - Wer dem mörderisch-realen Räuber-Gendarm-Spiel zum Opfer fiel, kam in Hans Peter Feldmanns Fotogalerie "Die Toten". Auch die Terror-Täter. Das mag provokant anmuten, ist aber nicht mehr als die triviale Aussage, dass der Tod alle gleich hobelt. Was der Katalogtext darum windet ("Der Tote ist das ultimative gesellschaftliche Produkt" usw.), ist banal bis ärgerlich.

Dass solche Werke - ähnlich: Thomas Ruffs Zeitungsfotos, Klaus Mettigs TV-Bildergalerie - ihren Reiz verloren haben, liegt auch daran, dass ihre "Medienkritik" teils Allgemeingut geworden, teils überholt ist, auch durch geballte Foucault-Zitate nicht zu revitalisieren. Die Aussage in Dana Birnbaums "Hostage" - der TV-Konsument ist ebenso Zielscheibe wie die leiblichen Opfer des Terrors - wirkt heute als plumpe, im Grunde menschenverachtende Übertreibung.

Die subtilste Arbeit zur Medienrolle ist Ulrich Bernhardts "Nationalästhetik": Der Künstler, der Ensslin aus seiner Pfadfinder-Zeit kannte, drehte bei ihrem Begräbnis und versteckte dann den Film - aus Angst vor Konfiskation - in einem ausgehöhlten Band von Hegels "Ästhetik", der nun in einer zeigerlosen Uhr ausgestellt ist. Man kann das als Kommentar zur Beschränktheit von Kunst lesen, die, und wenn sie sich noch so politisch gibt, die gültigsten Aussagen über ihr eigenes Reich macht: die Ästhetik.

Auch in Rainer Kirbergs "Überfahrt", zugleich einem der wenigen Werke, die sich auch mit den politischen Inhalten der RAF befassen. Ein Spielfilm: Drei müde Terroristen rudern auf einem Boot über den Oder-Spree-Kanal, an dem ein Stützpunkt der DDR-Stasi lag. Realer Hintergrund: Die RAF verhandelte Ende der siebziger Jahre mit der Stasi, um den BRD-Behörden zu entkommen. "Zum kleinen Bruder übergelaufen" sei man, kommentiert einer melancholisch. Zäh werden revolutionäre Phrasen rekapituliert, ein fiktiver Lebenslauf wird geschrieben, zum Papierschiff gefaltet - und ins Wasser geworfen. Er sinkt langsam, verfolgt von Unterwasseraufnahmen, die verschwimmen: Die Form löst sich auf, Ruhe kehrt ein. Nimmertreue Nibelungen mit dem Roten Stern, Nachspiel im Herbst.

© diepresse.com | Wien