Mit Schnee in den Sommer
Landesmuseen. In Vorarlberg beginnt der Reigen der sommerlichen Ausstellungen.
Hedwig Kainberger Vorarlberg eröffnet nächste Woche den österreichischen Reigen der Sommerausstellungen in den Landesmuseen und beendet damit eine Jahrhundert-Ära im alten Museum in der Bregenzer Innenstadt. Die SN baten Direktor Tobias Natter um ein Gespräch.
Sie widmen Ihre Sommerausstellung dem Schnee. Was hat der Schnee im Sommer verloren? Natter: Für eine Schnee-Ausstellung, wie ich sie sehe, gibt es keine bessere Jahreszeit. Schnee aus der Sommerperspektive bringt den frischen Blick aus der Distanz. Als Kurator geht es mir nicht um Schnee an sich, sondern um seine ästhetische Wahrnehmung. Dabei zeigen wir, wie Künstler den Schnee in den letzten 200 Jahren gesehen haben und wie sich dieses Bild ändert.
Das wird die letzte Ausstellung im alten Haus. Was steht an Um- und Ausbauten an? Natter: „Schnee. Rohstoff der Kunst“ schließt am 4. Oktober, dann siedeln wir alles ab, am 1. Februar 2010 beginnt der Abriss. Das alte Museumsgebäude, das 1905 eröffnet worden ist, weicht dann nach über hundert Jahren einem Neubau.
Zudem kommt das angrenzende Gebäude der ehemaligen Bezirkshauptmannschaft hinzu, womit sich die Fläche des Museums verdoppelt. Die Wiedereröffnung erfolgt im Frühjahr 2013.
Gehen Sie drei Jahre auf Ferien? Natter: Nein! Diese oft gehörte Frage verblüfft mich immer wieder. Sie zeugt von einer weitverbreiteten Fehleinschätzung der Museumsarbeit. Während der Bauzeit werden meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ich das Museum inhaltlich neu erfinden, die Schausammlung neu konzipieren, ein Schaudepot einrichten und das mittelfristige Sonderausstellungsprogramm entwerfen. Und wir müssen unser größtes Defizit hinter den Kulissen abbauen, das ist die fehlende elektronische Erfassung unserer Sammlung. Bislang arbeiten wir noch immer mit den handschriftlichen Inventaren, die im 19. Jahrhundertangelegt worden sind. Ziel ist es, in den nächsten Jahren für die weitüber 100.000 Objekte eine moderne Datenbank aufzubauen.
Also müssen die Museumsbesucher drei Jahre auf Ferien. Natter: Na ja, nicht ganz. Wir werden uns bemühen, auch ohne eigenes Haus in Erinnerung zu bleiben. Zum Beispiel mit künstlerischen Interventionen während des Baugeschehens. So werden wir in einem offenen Wettbewerb Künstler einladen, für je ein halbes Jahr das Baugerüst zu bespielen.
Vorarlberg beginnt als eines der letzten Landesmuseen einen derart großen Um- und Ausbau. Wie lässt sich dieser österreichweite Investitionsschub erklären? Natter: Ich erachte es als positiv, dass in den letzten zehn, fünfzehnJahren in der österreichischen Museumslandschaft so viel passiert ist. Ein großer Schub für die Infrastruktur kam von der Museumsmilliarde des Bundes; diese Investitionen waren vorbildlich für die Bundesländer.
Entscheidend ist das gesellschaftlich zunehmend breitere Bewusstsein: Sich auch über Kunst und Kultur zu definieren ist ein wichtiger Aspekt von Identitätsbildung geworden.
Warum präsentieren sich die Landesmuseen in einem neuen Buch namens „Ein kulturelles Gedächtnis“? Werden diese Museen nicht genug wahrgenommen?
Natter: Landesmuseen haben nicht die Möglichkeit, ihr Publikum mit einer „Saliera“ oder einer Werkschau Gustav Klimt anzuziehen. Wir müssen uns anderes überlegen. Ausgangspunkte dafür sind neue Wege der Vermittlung von Geschichte und Geschichten und das Bewusstsein, gerade als kulturhistorische Museen entscheidend zur „Sammlung Österreich“ beizutragen. In dieser Hinsicht ist die Neuerscheinung Ausdruck für die gute kollegiale Vernetzung der Landesmuseen untereinander.
Österreichs Bundesregierung gibt pro Jahr etwa 125 Millionen Euro für Museen aus. Merken Sie in Vorarlberg etwas davon? Erreicht Sie irgendwie die Museumspolitik des Bundes? Natter: Von diesem Geld merken die Landesmuseen naturgemäß wenig. Trotzdem: Es ist in die Bundesmuseen sinnvoll investiert. Sie gehören zu den großen kulturellen Leuchttürmen des Landes. In diesem Sinn glaube ich, dass auch zwischen Bundes- und Landesmuseen der Ausbau wissenschaftlicher und museologischer Netzwerke wichtig ist. Und Kooperationen? Gemeinsame Ausstellungen oder Gastausstellungen?
Natter: Mir fällt immer wieder auf, wie wenig die Schnittstellen zwischen Bundes- und Landesmuseen genutzt werden. Ich kann mich in den letzten Jahren beispielsweise an keine Ausstellung erinnern, die gemeinsam realisiert worden wäre.
Kulturministerin Claudia Schmied (SPÖ) plant, ab 2010 den Jugendlichen freien Eintritt in die Bundesmuseen zu gewähren. Was halten Sie davon?
Natter: Im Rahmen des Bregenzer Jugendkultursommers haben in Vorarlberg alle Jugendlichen in den Kunsteinrichtungen des Landes freien Eintritt. Die wichtige Vision, dass das Museum ein Ort für alle sein soll, darf nicht einfach entsorgt werden. Die Erfahrung lehrt, dass nicht alle Menschen ins Museum gehen wollen. Aber es geht nicht an, dass jene, die tatsächlich wollen, nicht hingehen, weil es zu teuer ist. Ich halte das britische Modell für vorbildlich. Dort sind ständige Schausammlungen generell bei freiem Eintritt zugänglich, nur für Sonderausstellungen ist Eintritt zu zahlen. „Schnee. Rohstoff der Kunst“: Vorarlberger Landesmuseum in Bregenz, 19. Juni bis 4. Oktober, www.vlm.at