Istanbul ist cool
(cai) Wie bringt man ein Rindviech dazu, sich für eine Biene zu halten
und Nektar zu sammeln? Keine Ahnung. Vielleicht mit Hypnose. Oder mit
Akupunktur. Aber mit Kühen hat Nives Widauer es anscheinend eh noch nie
probiert. Nur mit Hendln. Hat auf sie so lange eingestochen, bis sie
sich, nein, nicht in die Biene Maja verwandelt haben, doch immerhin in
Papageien. Ach, und das hat sie mit Akupunktur hingekriegt? Na ja,
nicht ganz. Mit der
Sticknadel .
Natürlich ist kein lebendes Huhn dabei zu Schaden gekommen, sondern
bloß das Geflügel auf einem Leben-auf-dem-Bauernhof-Stickbild. Denn
Widauer sabotiert heile Handarbeitswelten, ergänzt harmlose
Stick-Idyllen durch kleine Katastrophen. Gut, manche Gags sind billig,
etwa eine zünftige Tracht mit Hakenkreuzen zu dekorieren (weil wir
Österreicher statt einem inneren Schweinehund ein inneres Nazischwein
haben?) oder den Grazer Uhrturm mit der türkischen Fahne zu beflaggen.
(Islam, bleib ned daham, weil Istanbul is cool!) Andererseits: Wenn sie
dem Porträt eines Bauern ein Einschussloch auf die Stirn stickt und mit
Nadel und Faden diverse andere böse Fantasien auslebt, könnte das als
weibliche Antwort auf die typisch männliche Handarbeit
durchgehen: aufs Schießen in Ego-Shooter-Spielen. Die Installation
"Felix Austria" freilich, wo sie Kochgeschirr auf dem Boden arrangiert
(von so vielen leeren Töpfen kriegt man direkt Hunger), dass dabei
Österreich rauskommt, versteh ich nicht. Wenn’s wenigstens
Gugelhupfbackformen wären.
Die in den USA lebende Iranerin Sara Rahbar kämpft ebenfalls mit den
"Waffen einer Frau". Dem Nudelwalker? Dem Staubwedel? Nein, wieder mit
der Nadel. Näht auf die "Stars and Stripes" arabische Folkloremuster.
Ein Habt-euch-endlich-lieb-Appell? Naiver Pazifismus? Na ja, dann wären
die Collagen nicht mit Patronengürteln garniert. Hm. Eventuell eine
symbolische Darstellung von Rahbars eigenen inneren Kämpfen.
Das leibhaftige Ohnetitel
(cai)Man könnte natürlich einfach ein Glas Wasser auf einen Sockel
stellen und behaupten, das wäre ein leibhaftiges Aquarell. Sonderlich
originell wär das nicht. Da fabriziert Gottfried Ecker lieber ein
leibhaftiges Ohnetitel , platziert auf einem Brett ein paar
Holzfiguren in einer merkwürdigen Konstellation (nein, keine
Schachpartie), die alle gespannt in eine Richtung starren, als wär’ da
ein Ufo gelandet. Ein anderes Kerlchen hoch oben auf einem dürren
Staberl dürfte ebenfalls Augenzeuge einer Sensation sein, kippt vor
lauter Schaulust fast vom Ausguck. Die Figürchen, die mit uns quasi
"Ich seh etwas, was du nicht siehst" spielen, schaffen es, uns weiszumachen, im Raum befände sich etwas unglaublich Mysteriöses.
Sie rennen wie Lola
(cai)Bernard Ammerers Modelle sind ausgesprochen sportlich. Sie
springen über Leitplanken, doch meistens rennen sie und zeigen
bedeutungsvoll ins Ungewisse. (Okay, das ist schon ein
bissl aufdringlich.) Dass in den Bildern so viel weiß bleibt, liegt
sicher nicht an der Faulheit. Am Ende joggen die Leute gar durch eine
Landschaft, die sich komplett aufgelöst hat in sinnvolle
Buchstabenfolgen, bekannt als "Wörter" ("Grass", "Tree"). Jö, wie Malen
nach Zahlen: Malts es euch doch selber aus! Irgendwann bloß noch
hinzuschreiben "Mensch", äh: "human being", wird sich Ammerer wohl
verkneifen. Denn ein G’wand in Bewegung bereitet ihm sichtlich ein
sinnliches Malvergnügen (was auch mich nicht kaltlässt, weshalb ich
ignoriere, dass die Posen oft ziemlich gestelzt sind).
Hilger Contemporary
(Dorotheergasse 5) N. Widauer/S. Rahbar Bis 21. März Di. – Fr.: 10 – 18 Uhr Sa.: 10 – 16 Uhr
Galerie Chobot
(Domgasse 6) Gottfried Ecker Bis 28. März Di. – Fr.: 13 – 18 Uhr Sa.: 11 – 16 Uhr
Galerie Frey
(Gluckgasse 3) Bernard Ammerer Bis 23. März Mo. – Fr.: 11 – 19 Uhr Sa.: 10 – 16 Uhr
Printausgabe vom Mittwoch, 18. März 2009
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