Ein Wolkenkratzer hat im Kopf nicht Platz

13. April 2009 | 16:37 | | BERNHARD FLIEHER (SN).
Der Schweizer Peter Zumthor erhält für seine Besinnung auf das Wesentliche den wichtigsten Preis der Architektur-Welt. www.pritzkerprize.com
www.therme-vals.ch
www.kunsthaus-bregenz.at
BERNHARD FLIEHER
SALZBURG, LOS ANGELES (SN). Peter Zumthor baut ohne Schnörkel. Und seine Architektur ist ebenso frei von Showeffekten wie seine eindringlichen öffentlichen Stellungnahmen in Essays oder Projektbeschreibungen. Unter diesen Vorgaben ist die Entscheidung, dem 1943 geborenen Schweizer Architekten Peter Zumthor heuer den Pritzker-Preis zu geben, als höchst aktuelle Reaktion auf die Welt und ihre Krise zu deuten. Der Pritzker-Preis gilt als Nobelpreis der Architektur-Welt und wird seit 1997 vergeben,

In den Bauten Zumthors – sein Werk ist nicht sehr üppig, gilt er doch als Langsamkeitsfanatiker der Gegenwartsarchitektur – herrscht eine Haltung: Er besinnt sich aufs Wesentliche – auf die Schaffung von Räumen, die gut aussehen, aber vor allem gut sind zu den Menschen, die sie benutzen. Er weigert sich höher, schneller und vor allem für absurde Summen Bauten in die Höhe zu ziehen. Der Wolkenkratzer als Statussymbol moderner Baukunst des 20. Jahrhunderts gilt ihm nichts. „Mit Wolkenkratzern hab ich ein Problem. Allein die Vorstellung von 5000 und mehr Menschen in einem einzigen Skyscraper geht mit nicht in den Kopf“, sagt Zumthor.

Stattdessen besteht er auf bescheidener Arbeitsweise. Das drückt sich aus in der Größe seiner Bauten,. in der Wahl der Materialen und auch in einem relativ kleinen Team von Mitarbeitern. Und es zeigt sich vor allem an den Orten, die er mit seinen Entwürfen bebaut, ja bisweilen sogar aus einem Dornröschenschlaf am Ende der Welt holt, weil seine Bauten die Blicke der interessierten Welt auf sich ziehen.

Eines seiner größten Kunstwerke steht folgerichtig im Schweizer Hinterland. Im Bergdorf Vals schuf der eine Therme, die durch die Schönheit ihrer Geradlinigkeit besticht. Beeindruckendes Beispiel einer Baukunst, die auf jeden Architekten-Egotrip verzichtet, ist auch das Kunsthaus Bregenz, Ein auf den ersten Blick simpler Kubus steht da. Und doch erschließt sich (neben dem Umstand, dass das Haus allen praktischen Anforderungen eines Museums entspricht) jeden Bescher schnell der Sinn des Entwurfes: Konzentration aufs Bedeutende.

Architektur voller Geduld

Bregenz? Vals? Oder Köln, wo er zuletzt das Kolumba, ein Kunstmuseum für das Erzbistum schuf? Das sind – zumindest klischeehaft – nicht die Ort, an denen üblicher weise Aufsehen erregende (heißt: öffentlichkeitswirksame) Weltarchitektur entsteht. Für Zumthor scheint die angebliche Abgeschiedenheit aber eine spezielle Herausforderung zu sein. Ohnehin heben sich in einer global agierenden und gerade in der Kunst auch global denkenden Welt geografische Ferne oder Nähe auf – noch dazu, da die Wirtschaftskrise an angeblichen Hotspots das Bauen lahmen lässt. In Dubai, New York und Moskau liegen die Baustellen brach, weil Investoren in der Krise kalte Füße bekommen haben. Zumthor, gelernter Möbeltischler, ist davon unabhängig, weil er sich erst gar nicht dem riskanten Publicity-Spiel mit Showarchitektur und Protzbaukunst ausgesetzt hat, Pathos und Prunk, die Gier auf Öffentlichkeit, ein Bauen um des Effektes willen sind ihm zu wider. Wenn er sich aber entschieden hat zu bauen, dann wird’s einfach außergewöhnlich – und es kann dauern. Geduld ist für seine Bauherren Pflicht, „Gründlichkeit ist für mich wichtig. Ich gebe nichts aus der Hand, bevor ich nicht das Gefühl habe, dass es stimmt.“

Bescheidenheit, Geduld und das Erkennen des Essenziellen – das sind Anforderungen, die in Zeiten der Krise an alle gestellt werden – und in der Architektur werden sie rasch augenscheinlich. Zumthor ist so gesehen ein Prophet solcher Besinnung. Die Verleihung des Pritzker-Preises hat definitiv den Richtigen zum richtigen Zeitpunkt getroffen.
Internet: www.pritzkerprize.com

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