Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte

Galerien live

Was, bitte, sind Kremlins?

Aufzählung (cai) Was uns dieser Schmarren wieder gekostet haben wird (uns Steuerzahler). Diese komische Performance. Die soll wohl das Ende der freien Marktwirtschaft allegorisch darstellen. Bulldozer (oder Schneepflüge?) schieben Unmengen von Konsumgütern vor sich her, während die Statisten, die "die Bevölkerung" mimen, hilflos zusehen, wie alles mutwillig seiner Vernichtung entgegengeschupst wird. Stuntmen stürzen sich mitten hinein ins Chaos, um wenigstens ein paar Sachen zu retten, und die Müllmänner sind sicher Metaphern für die Kapitalisten.

Gut, das ist gar keine Performance (ätsch!). Die MA 48 räumt da bloß nach dem Flohmarkt auf. Anna Jermolaewa filmt mit und zeigt, wie irreal die Realität ist (die hier locker als Szene aus dem Endzeitthriller "Soylent Green" durchginge). Und schafft es, dass wir uns über alltägliche Vorgänge endlich so wundern, wie es ihnen gebührt. In Moskau hat sie den Gorbatschow vor die Kamera gekriegt. Na ja, einen Imitator. Wenn man ein putziges Fellding nach Mitternacht füttert, mutiert es bekanntlich zu einem Gremlin, und wenn man einem pensionierten russischen Ingenieur einen roten Stift gibt, wird er eben zum "Kremlin". Bzw. zum Gorbi. (Er malt sich das Gorbi-Mal auf die Glatze.) Äm, und hat der Kapitalismus endgültig gesiegt, zumal der Kreml ja jetzt ein Hotel ist? Nein. Weil der Kreml in Antalya steht.

Engholm Engelhorn Galerie
(Schleifmühlgasse 3)
Anna Jermolaewa
Bis 31. Juli
Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr
Sa.: 11 – 15 Uhr

Das Farb-Zeit-Kontinuum

Aufzählung (cai)"Zinnober" – ein verdammt ehrlicher Filmtitel (während in "Die Farbe Lila" ja auch noch was anderes vorkommt, zum Beispiel Whoopi Goldberg). 13,5 Stunden starrt die Kamera auf eine Farbfläche, die sich dezentest verändert. Seltsamerweise ist das nicht fad (okay, irgendwann schon ), sondern feierliche Farb-Andacht. Wie rot ein Rot ist, hängt ja von der Tageszeit ab. Und vom Wetter. Einstein hatte seine Raumzeit, Inge Dick hat halt ihre Farbzeit. In imposanten Polaroidfotoserien ("Zinnober" ist ausnahmsweise ein Film) untersucht sie die Relativität der Farbe in Bezug auf das Tageslicht. Mit bemerkenswerter Ausdauer.

Fotogalerie Wien
(Währinger Straße 59)
Inge Dick/ Werkschau
Bis 25. Juli
Di. – Fr.: 14 – 19 Uhr
Sa.: 10 – 14 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 22. Juli 2009

Kommentar senden:
Name:

Mail:

Überschrift:

Text (max. 1500 Zeichen):

Postadresse:*


* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht veröffentlicht.

Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at