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derStandard.at | derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
27. Oktober 2008
13:26 MEZ

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Die Ausstellung "Entartete 'Kunst'" im Salzburger Festspielhaus 1938 hatte 40.000 Besucher. Hier das Titelbild des Ausstellungsführers.


Kunstpolitik der Nazis
"Entartete" Kunst für 40.000 BesucherInnen in Salzburg - Symposion im Museum der Moderne am Mönchsberg analysierte die Vor­geschichte der NS-Propaganda­ausstellung

Salzburg - Der 4. September 1938 im Foyer des Salzburger Festspielhauses: Die modernen Fresken Anton Faistauers im Raum waren mit weißen Vorhängen verdeckt, als Gauleiter Friedrich Rainer die Propagandaausstellung "Entartete 'Kunst'" eröffnete. Salzburg war nach München, Berlin, Leipzig und Düsseldorf die erste österreichische Station dieser Wanderausstellung; 40.000 Besucher kamen und sahen Werke von Künstlern wie Oskar Kokoschka, Otto Dix, Marc Chagall, Wassily Kandinsky oder Emil Nolde. Zum 70. Jahrestag befasste sich Ende Oktober ein Symposion im Salzburger Museum der Moderne am Mönchsberg mit dieser Ausstellung.

"Anschlag auf das Wesen der Kunst"

Die Ausstellung sollte den Besuchern einschärfen, dass moderne Kunstrichtungen wie Dadaismus, Kubismus, Futurismus, Neue Sachlichkeit, Expressionismus, Impressionismus und Fauvismus ein "planmäßiger Anschlag auf das Wesen und den Fortbestand der Kunst überhaupt" seien, wie es im Ausstellungsführer hieß: Die Schau wolle einen "Einblick geben in das grauenhafte Schlusskapitel des Kulturzerfalles der letzten Jahrzehnte vor der großen Wende".

Expressionisten machten sich Hoffnungen

Dass sämtliche moderne Kunstrichtungen von der Nazipropaganda in Bausch und Bogen verächtlich gemacht würden, sei zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen Machtergreifung in Deutschland 1933 noch keineswegs ausgemachte Sache gewesen, sagt Andreas Hüneke von der Forschungsstelle "Entartete Kunst" der Freien Universität Berlin. Besonders die Anhänger des Expressionismus hätten sich zunächst sogar Hoffnungen gemacht, diese spezifisch deutsche Stilrichtung könnte von den Nazis zur "Nationalkunst" erhoben werden.

"Traditionsfeindliche Kunstverderber"

Die Expressionisten setzten ihre Hoffnungen in erster Linie auf Propagandaminister Joseph Goebbels, der zum 70. Geburtstag Edvard Munchs im Dezember 1933 diesem noch ein "Huldigungstelegramm" geschickt hatte. Aber auch der Futurismus, im Italien Mussolinis von der faschistischen Führung stark gefördert, konnte noch 1934 in einer großen Ausstellung in Berlin gezeigt werden, berichtet Reinhard Kannonier, Rektor der Linzer Kunstuniversität. Doch schon sechs Monate später bezeichnete Adolf Hitler in einer Rede "Futuristen, Dadaisten und so weiter" als "traditionsfeindliche Kunstverderber".

Dass Hitler nichts von moderner Kunst hielt, dürfte schon seit der Veröffentlichung seines programmatischen Buchs "Mein Kampf" 1925 bekannt gewesen sein, in dem er das "innere Erleben" von expressionistischen Malern auf Geisteskrankheiten zurückführte. Als Vorkämpfer gegen alles Moderne in der Kunst tat sich in der Zeit der Machtergreifung vor allem Alfred Rosenberg hervor, der Chef des "Kampfbunds für Deutsche Kultur".

Moderne Kunst in "Schreckenskammern"

Der "Kampfbund" stellte in vielen Museen schon 1933 so genannte "Schreckenskammern" zusammen, in denen Werke moderner Kunst statt mit ihren Bezeichnungen und den Namen der Künstler mit dem Ankaufspreis versehen waren, den das Museum für das jeweilige Werk bezahlt hatte. Auf der anderen Seite organisierte noch am 30. Juni 1933 der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund unter dem Titel "Jugend kämpft für deutsche Kunst" an der Berliner Universität eine Veranstaltung, die um Anerkennung für expressionistische Künstler warb.

Repressiver Kurs

In den folgenden Jahren versuchte die NS-Führung, das Kunstschaffen immer mehr unter Kontrolle zu bekommen: Künstlerverbände wurden in die Reichskulturkammer überführt und jüdische Künstler postwendend wieder aus ihr ausgeschlossen, was ein faktisches Berufsverbot bedeutete. Für Ausstellungen wurde die Vorzensur eingeführt, die "kulturpolitische Reichspressekonferenz" gab Journalisten vor, über welche Veranstaltungen wie zu berichten sei und über welche nicht. Schließlich wurde der Presse ganz verboten, Kunstkritiken abzudrucken.

Goebbels-Kehrtwende

Dennoch sei es dem NS-Staat nicht gelungen, "eine totalitäre Gleichschaltung der Kunst zu Stande zu bringen", sagt Josefine Gabler, die Leiterin des Museums Moderner Kunst in Passau. Erst 1937 habe sich Propagandaminister Goebbels "aus machtpolitischen Gründen" entschlossen, sich an die Spitze der Gegner moderner Kunst zu stellen, sagt Andreas Hüneke. Innerhalb von drei Wochen ließ er aus allen Museen des Reichs Gemälde und Plastiken zusammenkarren, um sie - dicht an dicht und mit propagandistischen Sprüchen versehen - zur allgemeinen Belustigung auszustellen. (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 27. Oktober 2008)

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