Salzburger Nachrichten am 03. September 2003 - Bereich: kultur
Der Prozess der Geschichte

Werke von Anselm Kiefer in der Kast-Villa

Die Ausstellung Anselm Kiefers in der Galerie Ropac "Am Anfang" überzeugt durch ihre Homogenität formal wie inhaltlich. Zu sehen sind übermalte Fotos, in die Sand und andere Materialien eingearbeitet sind, außerdem wandfüllende großformatige Ölbilder mit dickem, strukturiertem Farbauftrag, der das Bild zum Relief macht. Außerdem betonen am Bild befestigte Objekte, etwa eine Kristallform oder ein Flugzeug, den Objektcharakter. Alles drängt in den Raum hinein. Die Bilder sind als Reliefs dreidimensional.

Außerdem zeigt Kiefer vier neue große Skulpturen und bezieht sich darüber hinaus auch inhaltlich auf die Öffnung von Räumen: Treppen, Stiegen und Stufen tauchen wiederholt als Bildmotive auf, auch Räder und Schiffe, alles Formen, die auf der symbolischen Ebene als Metaphern für Veränderung verstanden werden können. Die gesamte Schau durchzieht eine helle Lichtstimmung, wobei viel Weiß neben zahlreichen Grauschattierungen steht, Farben wie Rot, Blau, Ocker äußerst sparsam hinzugefügt sind.

Wieland Schmied schreibt im Katalogtext von einem Grundgefühl von großem Ernst, zarter Melancholie bis hin zu offener Trauer. Er nennt Anselm Kiefer im selben Atemzug mit Cy Twombly, Antoni Tapie`s und Jannis Kounellis, drei zentrale Künstler der Moderne nach 1945, deren Anliegen es ist, Mysterien sichtbar zu machen.

Für den deutschen Maler und Bildhauer Anselm Kiefer, 1945 in Donaueschingen geboren, steht die Geschichte im Zentrum seines Interesses. Kiefer versteht Geschichte als einen Prozess, der viele Stationen durchläuft. Die Treppen und Räder sind Symbole für diese Prozesse und Bewegungen. "Ich erzähle in meinen Bildern Geschichte, um zu zeigen, was hinter der Geschichte ist", sagt Kiefer, "ich mache ein Loch auf und gehe hindurch." Kiefer bezieht sich auf germanische, griechische, ägyptische oder mesopotamische Mythologien ebenso wie auf die Gedanken gro-ßer Mystiker wie Ingeborg Bachmann, Paul Celan, Ossip Mandelstamm oder Saint John Perse.

Bis 13. 9. ELISABETH RATH