Ein Mann räumt auf
(cai) Die machen wahrscheinlich eh alle nur Aufwärmübungen. Für eine
Stellung aus dem Kamasutra. (Aber sehr unkoordiniert.) Oder das sind
Asoziale, die gerade ein spezielles Kamasutra ausprobieren. Das für Singles, also für Solisten. Wie soll man diese verrenkten, introvertierten Nackerten denn sonst
interpretieren, diese "autistischen" Turner? Gut, ein paar von denen
stehen bloß stocksteif in der Gegend herum. Oder rollen sich, Platz
sparend, wie ein Embryo ein. Was auch immer ihre Mission sein mag: Ein
Raum der Galerie Lindner ist jedenfalls so vollgestopft mit ihnen, als
wär’ das eine Kostprobe von der Weltüberbevölkerung (oder von der
Rushhour am FKK-Strand), ein Plädoyer für Geburtenregelung.
Übrigens sehen sie schwerer aus, als sie sind. Sonst hätte ihr
Schöpfer, Peter Niedertscheider, sie bei der Vernissage ja nicht eine
Stunde lang unentwegt umplatzieren können, völlig weltentrückt (bevor
er den Notausgang aus seinem Ordnungszwang genommen hat: durchs Fenster
abgehauen ist). Eine Familienaufstellung, nur eben mit Dummys, war das
wohl eher nicht. Na ja, wenigstens kann man über die Botschaft jetzt
ein bissl rätseln. Und Irritation ist sowieso inspirierend. Früher war
beim Niedertscheider ja alles so durchschaubar. Da hat er den binären
Code in das Dualsystem der Geschlechter übersetzt, nämlich statt der
potenten Eins (die ist quasi der Priap unter den Zahlen) hat er immer
einen Mann gepinselt und eine Frau statt der weiblich runden Null (die
ja die "Venus von Willendorf der Mathematiker" ist, obwohl ein Sechser
viel fruchtbarer ausschaut, viel schwangerer). Und dann hat er damit
ellenlange Texte geschrieben. Dieser Gag erschöpft sich halt einmal.
Befriedigt auf Dauer wie ein Gurkenglas, das ohne den geringsten
Widerstand aufgeht. Da ist sozusagen der Witz weg.
Galerie Lindner
(Schmalzhofgasse 13)
Peter Niedertscheider
Bis 25. Oktober
Di. bis Fr. 14 bis 18 Uhr
Irgendwie "böhmisch".
*
Kunst ist anstrengend
(cai) Falls das ein Trick vom Robert Barry ist, damit man der Kunst
endlich mehr Aufmerksamkeit schenkt, dann ist er genial. Zuerst draußen
auf die Galerie groß draufschreiben: "Desire" (Begierde). Das macht
neugierig, um nicht zu sagen: geil. Wie "Konditorei" oder meinetwegen
"Girls, Girls, Girls". Und wer dann drinnen nicht glauben kann, dass
diese diskreten monochromen Bilder schon alles sein sollen, tritt
skeptisch näher an sie heran, bis er bereits in ihre Intimsphäre
eindringt. Und wundert sich dort ausführlich über die merkwürdigen
Wörter, die plötzlich zu lesen sind ("obwohl, nahe, ohne . . .").
Genauso gut könnte da ein Känguru von einem Rad fahrenden Fisch
überrollt werden. Restlos "verstehen" soll man diese (in Zeiten
optischer Hektik) wohtuend langsamen Arbeiten wohl gar nicht, dieses
disziplinierte "mentale Rauschen". Aber sich Mühe geben.
Galerie Steinek
(Eschenbachgasse 4)
Robert Barry
Bis 20. Oktober
Di. bis Fr. 13 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 15 Uhr
Anspruchsvoll.
*
Gustav Klimts Östrogen
(cai) Klimt, die Goldene Adele, Maria Altmann und Elisabeth Gehrer,
kurz: Klimt und die Frauen. Den "Fall Adele" verknappt Marcin
Maciejowski, ein offenbar Malkompetenter, auf zwei lapidare
Sprechblasen, die überm Belvedere schweben. Weniger aufdringlich ist es
freilich, wenn er sich Klimts Frauenporträtzeichnungen konzeptuell
nähert und die dezenten Papiertönungen (erinnern irgendwie an Make-up)
gewissenhaft auflistet. Seiner eigenen Muse huldigt er mit so etwas wie
"Schnappschuss-Fotorealismus".
Galerie Meyer Kainer
(Eschenbachgasse 9)
Marcin Maciejowski
Bis Ende Oktober
Di. bis Fr. 11 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 15 Uhr
Fähiger Pinsel.
Mittwoch, 04. Oktober 2006