Werden und Vergehen
Andrea Bischof und Hermann Kremsmayer sind zwei im Westen
Österreichs geborene Maler, die in Wien leben, wo es relativ östlich
wirkt, am Brigittaplatz im 20. Bezirk. Künstlerisch gehen sie, unabhängig
von einander wie von den Moden des Betriebs, mit beachtlicher Konsequenz
ihren Weg, was sie nicht davon abhielt, ein schönes Gemeinschaftsprojekt
zu wagen, das bisher zwei prächtige Buben zeitigte. Arbeiten sie auch
jeder für sich an einer Malerei, die eigenen Gesetzen folgt, kann man ihre
Bilder gleichwohl in eine Beziehung zueinander setzen, die nicht auf ihrer
privaten Lebensgemeinschaft gründet. So grundsätzlich verschieden sie ihr
Metier nämlich betreiben, scheint mir beider Kunst doch viel mit der
Erinnerung zu tun zu haben: mit der Erinnerung weniger als einem Fundus an
persönlichen Erfahrungen, sondern in einem grundsätzlicheren Sinne.
Was für eine Erinnerung soll das sein, in Bildern wie "Spielfeld" von
Andrea Bischof oder "Herkunft" von Hermann Kremsmayer? Bischof grundiert
die Leinwand mit verschiedenen Abstufungen von Rot, und die Fläche enthält
hellere und dunklere Einschlüsse, die von ferne an Inseln, treibende
Wolken oder an ein Geschwader von Vögeln gemahnen. Das Besondere daran ist
der Eindruck der Leichtigkeit, den Bischof malerisch zu erzeugen weiß, es
ist etwas Schwebendes in diesem Bild - und in den anderen der Serie
"Farbschichtungen", ja ihres Schaffens überhaupt -, das sich natürlich
nicht von selber einstellt, sondern mit Kunstverstand und Kunstvermögen
erzeugt, bewirkt, hergestellt werden muss. In dieser Leichtigkeit erinnern
Bischofs Bilder aber daran, dass die Dinge, so wie sie geschehen, nicht
unausweichlich geschehen müssen, sondern auch ganz anders entwickelt,
entfaltet und die Verhältnisse, wie sie starr gefügt erscheinen, auch
verändert werden könnten. Kremsmayers Bild trägt die Erinnerung
gewissermaßen schon im Titel: "Herkunft" aus dem Zyklus "Human" meint in
diesem Falle natürlich auch die Geburt, denn in die erdige, braune, ockere
Farbstruktur ist eine schwarze Gestalt, unverkennbar die einer
Schwangeren, gesetzt. Nun handelt es sich aber gewiss nicht um das Porträt
einer bestimmten Schwangeren; die Figur tritt vielmehr aus einer erdigen
Umgebung - oder geht in diese hinein -, was Kremsmayer dadurch besonders
eindrucksvoll zu gestalten weiß, dass er hier meisterlich jenes Material
einsetzt, mit dem er schon seit Jahren experimentiert, nämlich Erde und
Sand. Dieser Stoff wiederum ist natürlich besonders geeignet, das
Materielle, die irdische Beschaffenheit unserer Existenz zu betonen, was
in einem expressiven Verhältnis zu der Figur steht, die in dieser
vielschichtigen Komposition von Ruhe und Bewegung etwas Mythisches, die
Zeit Überdauerndes erhält. Erinnerung nicht nur daran, dass wir selbst
alle einmal aus dem Bauch einer Schwangeren gekrochen sind, sondern an
Werden und Vergehen als unsere Chance und unsere Grenze.
Erschienen am: 20.06.2003 |
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