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derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst 
01. Juli 2009
13:07 MESZ

Schröder erläutert bei der Pressekonferenz, wie es dazu kommen konnte, dass ...


Albertina beruhigt: Kein Kunstwerk beschädigt
Wasserabweisende Blechdachungen waren eigentlich als Staubschutz gedacht - Die nächsten Schritte im Überblick

Wien - Die Wiener Albertina ist bei dem Wassereintritt im Zentraldepot in der Vorwoche knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt. Der Direktor des weltbekannten Museums, Klaus Albrecht Schröder, nannte das Glück im Unglück am Mittwochvormittag "so etwas wie einen modernen Gottesbeweis". Einfache Blechdächer hatten den Schadensfall verhindert, kein Werk wurde beschädigt.

Die Blechdächer hatte der Leiter des Facility-Managements des Hauses, Helmut Myslik, auf eigene Initiative beim Bau des Depots über den Reihen der Regale, in denen die Kunstwerke liegen, anbringen lassen. Myslik  erklärte: "An Wasser hat niemand gedacht". Die Blechdächer sollten eigentlich Reststaubmengen von den Kunstwerken abhalten und so eine neuerliche Säuberung ersparen. "Bis heute ist kein einziges Kunstwerk beschädigt", versicherte Schröder. Derzeit sind 50 Prozent der Sammlung aus dem Depot evakuiert.

Rund 120.000 Kunstwerke waren durch den "sintflutartigen" Wassereintritt betroffen, da sie in jenen Sektionen gelagert waren, in denen der Wassereintritt erfolgte. "Keine unserer Preziosen war in einer dieser Sektionen", beruhigte Schröder. Betroffen waren rund 7.500 Fotos der Fotosammlung, 500 Klebebände mit je 200 Druckgrafiken sowie rund 12.500 Zeichnungen. Den weltberühmten Ausnahme-Stücken wie Dürers "Feldhase", "Das große Rasenstück" und "Die betenden Hände", die nach einem durch Kurzschluss verursachten Ausfall der automatisierten Förderanlage erst mehr als sechs Stunden nach der ersten Alarmmeldung aus dem Depot evakuiert werden konnten, gehe es gut. Die Werke im Speicher waren auch nach Absaugen des Wassers einer zu hohen Luftfeuchtigkeit ausgesetzt - mittlerweile ist der Wert aber wieder unter die kritische Schwelle von 70 Prozent gesunken.

Untersuchung, Ordnung, Übersiedlung, Kosten

Untersuchung der Kunstwerke: Jedes einzelne der 950.000 Werke aus dem Depot muss einzeln auf Schäden überprüft werden, jedes der 9.000 Behältnisse wird geöffnet und einer Messung der Luftfeuchtigkeit unterzogen. "Alle Kassetten sind feuchter, als sie sein sollen", so die Leiterin der Restaurierungsabteilungen Elisabeth Thobois. Zu befürchten sind Verwellungen des Papiers, je höher ein Werk innerhalb seiner Kassette gelagert war, desto mehr Feuchtigkeit war es ausgesetzt. Noch über "Wochen und Monate" müssen die Werte künftig immer wieder kontrolliert werden, um Folgeschäden, darunter auch Schimmelbildung, auszuschließen. Ob Sporen von Mikroorganismen auf Kunstwerken bereits aktiviert seien, ließe sich gegenwärtig jedoch noch nicht sagen.  Gleichzeitig sind Luftentfeuchter im Einsatz, um zu verhindern, dass zu viel Feuchtigkeit vom Speicher in die Basteihalle "mitgebracht" wird.

Ordnung der Sammlung: In der Basteihalle, die seit Ende der Rembrandt-Ausstellung am Wochenende vor dem Unglück leer steht, wird ein "möglichst geordnetes" Übergangslager eingerichtet. Derzeit werden Regale eingebaut, die Räume sind nach der alten "Schulordnung" des Albertina-Gründers Albert von Sachsen-Teschen in Schulen, Herkunft und Technik der Werke gegliedert. "Auch in diesen schwierigen Zeiten soll die Sammlung zugänglich bleiben für Forschung und für Leihgaben", erklärte die stellvertretende Direktorin Marie Luise Sternath. Die wichtigsten Werke der Sammlung, wie der "Feldhase" oder die "Betenden Hände" wurden in ein eigenes Depot gebracht.

Übersiedlung in externes Lager: Für Ersatzdepots, in die die Sammlung mittelfristig übersiedeln könnte, hat das Museum "viele Angebote bis nach München" erhalten, wie Schröder lobte. Von der Nationalbank bis zur Nationalbibliothek gibt es mögliche Lagerflächen, Schröder würde am liebsten "die ganze Zeichensammlung in der Albertina behalten" und "so schnell wie möglich wieder den Betrieb im Depot aufnehmen". Dort sollen einige Maßnahmen gesetzt werden, um künftig ein menschliches Eingreifen im Notfall zu ermöglichen. Prinzipiell wird der Speicher aber "nicht infrage gestellt": "Bei Zugriff, Sicherheit und Nutzung bietet er Vorteile, die kein anderes Depot bieten kann."

Ursachenforschung: Am Depot wird unterdessen weiter nach den Gründen für den Wassereintritt geforscht, bisher ist auch die genaue Stelle, an der das Wasser von außen durchdringen konnte, nicht bekannt. Die Bitumenisolierung wird derzeit "maximal vorsichtig" freigelegt, wie Burghauptmann Wolfgang Beer erklärte. Dies könnte noch lange dauern: 1.000 bis 1.200 Quadratmeter der 6.000 Quadratmeter umfassenden Basteifläche liegen über dem Kunstdepot, ein halber Quadratmeter wurde bisher untersucht. Erst wenn der Mangel festgestellt sei, werde man auch wissen, wer für die Ereignisse verantwortlich ist: "Es waren hier sehr viele Firmen am Werk, und sie alle werden am Ende des Tages genau angeschaut werden", so Schröder.

Kosten: "Das Geld darf im Augenblick keine Rolle spielen", betonte Schröder. Beim Krisenmanagement werde nicht gespart, weder mit der Anmietung von Räumlichkeiten, der Installation neuer Notfallsysteme noch der Anstellung zusätzlicher Mitarbeiter. "100-prozentige Rückendeckung" gebe es dafür von Kulturministerin Claudia Schmied. Erst im Anschluss an die notwendigen Maßnahmen wollen Bildungs-, Wirtschafts- und Finanzministerium über die Kostendeckung sprechen. Falls der Fehler gefunden und einer Firma zugeordnet werden kann, könnte deren Versicherung für Folgeschäden aufkommen müssen. Vonseiten der Albertina gibt es weder für die Sammlung, noch für eventuelle Ausfälle im Ausstellungsbetrieb Versicherungen. Dazu soll es aber auch nicht kommen. "Das Herbstprogramm wird wie geplant durchgeführt", versicherte Schröder.

Auch ins MUMOK schwappte schon Wasser

Nur schleppend ging die Räumung der Kunstdepots der Wiener Albertina voran. Vor allem verzögern Ausfälle des automatisierten Roboter-Beschickungs-Systems die Evakuierung. Bereits wenige Minuten waren nach dem Feststellen des Wassereintritts bereits Absaugvorrichtungen in Betrieb genommen worden. Die Gewitterregen vom Wochenende  haben zu keinen neuerlichen Wassereintritten geführt. "Die ausgelegten Planen scheinen das Wasser abzuhalten", sagte Schröder, der daher derzeit von einem Schaden in der Depot-Decke ausgeht, am Montag. Die Albertina hat zwölf Arbeitsgruppen eingesetzt, die sich mit dem Problem befassen, und in den betroffenen Abteilungen eine Urlaubssperre erlassen.

Zum Vergleich: Zweimal gab es übrigens bereits wassereinbruchsbedingte Schadensfälle im Museum Moderner Kunst (MUMOK), seit es seinen Neubau im Museumsquartier (MQ) bezogen hat. "2003 trat über einen Schaden im Kanalisationssystem Wasser nach starken Regenfällen ins Depot, die Evakuierung von Kunstwerken folgte als Vorsichtsmaßnahme - man fürchtete hohe Luftfeuchtigkeit", hieß es auf Anfrage. "2008 drang nach einem Unwetter erneut Wasser ins Depot, ohne Folgen für die Werke, daraufhin wurden Bauschäden als Ursache für die Wassereintritte ermittelt und von der MQ Errichtungs- und Betriebsgesellschaft behoben." (APA)

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